Das Cottage im Wald
regungslos neben ihr, doch sie wusste, dass er nicht schlief. Ob sie noch einmal mit ihm reden sollte? Dann müsste sie ihm gestehen, wie sehr sie ihn liebte. Wenn er aber von ihrer Liebe nichts wissen wollte und sie zurückwies – sie könnte es nicht ertragen.
Am nächsten Morgen, als Carin erwachte, war Sean bereits fort. Sie hatte nichts anderes erwartet, aber den ganzen Tag allein in der Wohnung zu bleiben, dazu hatte sie auch keine Lust. So beschloss sie, gleich nach dem Frühstück aufzubrechen und Dublin zu erkunden. Wie in allen großen Städten gab es dort sicher viele interessante Sehenswürdigkeiten.
Nachdem sie gefrühstückt hatte, griff Carin nach Mantel und Tasche und ging hinaus. Der Himmel war im Westen noch hell und blau, direkt über ihr jedoch hatte sich bereits eine grauschwarze Wolkendecke gebildet. Es würde sicher bald regnen. Bis jetzt hatte sie mit dem Wetter Glück gehabt. Seit sie in Irland war, hatte es nur sehr selten geregnet. John hatte ihr erzählt, dass es hier oft regnen würde und dass die Landschaft deshalb so schön grün sei.
Dublin erinnerte Carin sehr an London. Der Fluss Liffey, der sich durch das Stadtzentrum schlängelt, könnte die Themse sein, dachte sie. Die georgianische Architektur im nobleren Stadtteil Dublins erinnerte sie an Londons West End. Das Hafenviertel sah aus wie die Themse unter der Tower Bridge. Und Doppeldeckerbusse gab es auch, nur waren sie nicht rot, sondern grün.
Dann war da noch die Guinness Brauerei, und Carin staunte über die unzähligen Pubs, die ihren Weg säumten. Also stimmt es doch, dass die Iren den größten Teil ihrer Zeit in solchen Pubs verbringen, dachte sie schmunzelnd.
Sie schlenderte gemächlich durch die Grafton Street und machte dabei einen ausgiebigen Schaufensterbummel. Dann ging es weiter zur Nationalgalerie, in deren Restaurant sie sich mit einem kleinen Imbiss stärkte. Mit schmerzenden Füßen, aber zufrieden, machte sie sich schließlich wieder auf den Heimweg.
Es nieselte leicht, während Carin zurückmarschierte. Da sie viel weiter gegangen war, als sie eigentlich vorgehabt hatte, würde es eine ganze Weile dauern, bis sie zu Hause ankäme. Trotzdem würde sie noch genügend Zeit haben, um vor dem Abendessen ein schönes, heißes Bad zu nehmen.
Carin war überrascht, als sie feststellte, dass Sean bereits zu Hause war. Die Verärgerung, die sich in seinem Gesicht ausdrückte, war nicht zu übersehen.
Wütend riss er die Tür auf und herrschte Carin an: “Wo zum Teufel bist du gewesen?”
Sie zog die Stirn kraus. “Draußen.”
“Was heißt draußen?” Sean trat zurück, um Carin einzulassen. Dann schlug er die Tür mit einem lauten Knall zu und baute sich drohend vor ihr auf.
Carin ärgerte sich über sein unmögliches Verhalten. “Ich war spazieren. Ist das vielleicht verboten?”, gab sie schnippisch zurück. Doch da kam ihr plötzlich ein Gedanke: Vielleicht verglich Sean sie ja nur mit Josie und glaubte, sie wäre ausgegangen, um sich an einen anderen Mann heranzumachen. “Ich war in der Stadt und habe mir die Sehenswürdigkeiten angeschaut”, fügte sie rasch hinzu. “Schade, dass du nicht dabei warst.”
“Du willst mir doch nicht weismachen, dass du dich jetzt schon langweilst. Wir sind erst zwei Tage hier.”
“Ich will eben nicht ständig an Josie erinnert werden. Egal, wo ich hinsehe, alles ist Josies Werk.”
“Ich habe dir doch gesagt, du kannst das Haus neu einrichten.”
“Und ich habe dir erklärt, warum ich das nicht tun werde.”
“Wie auch immer, ich bin extra früher gekommen, um mit dir zusammen zu sein.”
Carin zog tief den Atem ein. “Es tut mir leid, Sean, aber das konnte ich ja nicht wissen.”
“Natürlich nicht”, sagte er verächtlich. “Du bist ja viel zu sehr mit dir selbst beschäftigt, wie alle Frauen. Verdammt noch mal, Carin, du hättest mir wenigstens eine Nachricht hinterlassen können.”
“Du bist gestern auch weggegangen, ohne mir Bescheid zu geben.”
“Und das musstest du mir gleich heimzahlen, wie?” Seans Augen funkelten vor Zorn.
“Natürlich nicht”, protestierte Carin. “Aber ich dachte, du würdest ohnehin den ganzen Tag fortbleiben, und weil ich frische Luft brauchte, bin ich eben rausgegangen. Du bist nicht fair, Sean. Wenn du schon darauf bestehst, dass ich tue, was ich will, dann brauchst du dich auch nicht zu beschweren, wenn ich einmal nicht zu Hause bin.”
Plötzlich war sein Ärger wie verflogen, und er lächelte. “Du
Weitere Kostenlose Bücher