Das Crusenriff
die Aufbauten und griffen nach den Amazonen und Kriegern, deren Klingen im Widerschein der Fackeln wie fahle Blitze aufzuckten.
»Das sind die Muscheln, die ich in Crytons Körperbildern sah«, rief Mythor überrascht aus. »Nur hätte ich nie geglaubt, daß sie so riesig sein könnten.«
Fronja vollführte eine ausschweifende Handbewegung.
»Sie wuchern zu Hunderten an den Riffen.«
»… und eine von ihnen birgt das Bruchstück des DRAGOMAE.«
Die Tochter des Kometen erschrak sichtlich.
»Es ist unmöglich, den Kristall zu finden.«
Sie sah Mythor aus großen Augen entsetzt an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, das kannst du nicht vorhaben. Du kannst nicht…«
»Sag ruhig, daß du mich für verrückt hältst.« Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Mag sein, daß ich es wirklich bin. Aber ich muß den Kristall haben.«
»Selbst auf die Gefahr hin, daß du alles aufs Spiel setzt? Gegen einen solchen Gegner mußten wir noch nicht bestehen.«
Mythor schwieg. Mindestens vier der riesigen Muscheln stritten sich mittlerweile um die Beute. Carlumen stampfte und schlingerte wie ein Schiff bei hohem Seegang.
»Also gut«, sagte Fronja ärgerlich. »Möglicherweise bin sogar ich verrückt, weil ich dir beistehe.«
Singend schnitt Alton durch die Luft. Fronja wirbelte im gleichen Moment herum, weil sie instinktiv fühlte, was sich hinter ihrem Rücken zusammenbraute.
Der heranschnellende Fangarm wurde von Mythors Gläsernen Schwert gespalten. Eine wäßrige Flüssigkeit verspritzte nach allen Seiten.
Mythor tat, als wäre nichts geschehen, während es um Fronjas Mundwinkel zuckte.
»Der Kristall wurde von einer besonders großen Gruse verschluckt«, stellte er fest. »Außerdem befand sie sich fast am Grund einer Schlucht.«
»Wenn du keine anderen Sorgen hast.« Die Tochter des Kometen und ehemalige Erste Frau Vangas wandte sich abrupt um und ließ Mythor einfach stehen. Ihre beiden Schwerter in Händen, eilte sie zu den Barrikaden hinunter, wo Tertishs Amazonen und Caerylls Söldner Seite an Seite gegen eine unheimliche Bedrohung ankämpften. Der Sohn des Kometen folgte ihr weit langsamer. Es gab vieles, was ihm ausgerechnet jetzt in den Sinn kam. Er dachte an Gorgan, an das Grabmal des Lichtboten und an Luxon, der ihm erst Gegner und Nebenbuhler und schließlich Freund gewesen war.
Wie aus weiter Ferne drangen die Rufe und Schreie der Kämpfenden an sein Ohr:
»Wir können nicht alle Fangarme abschlagen. Es sind zu viele.«
»Versucht es! Wir müssen wieder an Höhe gewinnen!«
»Unmöglich.«
»Soll ich euch Beine machen?« Das war Tertishs gereizt klingende Stimme. »Meinetwegen laßt euch mit den Segeln hinaustragen oder nehmt die Boote, aber hindert diese Riesenmuscheln daran, uns noch länger durchzuschütteln.«
»Das Biest versucht, Carlumen unter seine Schale zu ziehen…«
Höchstens noch hundert Schritt trennten die Fliegende Stadt von der nächsten Muschel, deren Saugrüssel gierig über die Unterseite der Schwammscholle tastete.
Ein Schleppsegel blähte sich vor der Strömung. Mythor sah Lonsa, einen der sieben Wälsenkrieger, zwischen den Tauen hängen. Mit der Linken hatte er sich festgeklammert, mit der Rechten schwang er sein Schwert. Es mutete spielerisch an, wie er sich gegen die ihn bedrängenden Fangarme verteidigte, doch es mußte unwahrscheinlich viel Kraft kosten.
Andere beherzte Carlumer waren dabei, die »Fische« und »Vögel« zu bemannen, die Boote und Flugdrachen, um mit ihnen die Grusen selbst anzugreifen.
Lautstark gab Tertish ihre Befehle. Nichts schien sie aus der Ruhe bringen zu können; sie war überall zugleich, sprang hier in eine Bresche und schlug dort auf sich heftig windende Tentakel ein.
Hie und da sah man auch einige Rohnen, mit Schwertern, Lanzen oder Bogen bewaffnet, inmitten der Reihen geübter Krieger. Es waren durchweg junge Männer, denn das Leben in der Düsterzone, aus der sie kamen, war hart gewesen, und selten war jemand älter als 40 Jahre geworden.
»Sie beginnen, sich auf Carlumen heimisch zu fühlen«, bemerkte Fronja. »Niemand hat sie zu den Waffen gezwungen.«
»Reiner Selbstzweck«, erwiderte Mythor. »Sie wissen, daß es ihr Ende bedeutet, wenn die Fliegende Stadt untergeht. Auf ein Leben in der Schattenzone sind sie nicht vorbereitet.«
»Du glaubst nicht, daß sie sich unserer Art zu leben anpassen könnten?«
»Ich hoffe es zumindest. Immerhin sind rund hundert kampffähige Männer unter ihnen, die
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