Das Dach kommt spaeter
Teller zurück, als würde sie Mietshausbewohnern den ihnen zustehenden Platz in der zweiten Reihe zuweisen. Allein mein immer auf Verbindlichkeit bedachter Schwiegerpapa ließ sich zu einem, wenn auch etwas fragwürdigen Lob hinreißen und meinte zu der Linsenflädlesuppe: »Des isch ja fascht typische Schwabenküche. Und Linse sind zum Glück so billig, fascht gschenkt.« Darauf ertappte ich Baba bei einem Blick, der selbst Stahlbeton wie Butter zerschnitten hätte.
»Ja, es stimmt«, gab ich in der Brauchtumsfrage diplomatisch beiden Vätern recht. »Das traute Eigenheim ist Tradition in Schwaben und ebenso in der Türkei. Und in zahllosen anderen Gegenden sicher auch. Darum geht es aber jetzt nicht. Ann-Marie und ich, wir wollen ein tolles Haus auf einem schönen Grundstück. Mitten in der Stadt, aber doch im Grünen.«
»Ei Muratle, des isch doch mal a tüchtiger Plan. Vielleicht wenn ihr mal den Wowereit fragt, des isch doch a ganz Netter, dass der euch a Stück vom Tiergarte abteilt.«
Meine Schwiegermutter zeigt hin und wieder eine sarkastische Ader. Eine Eigenheit, die ihre Tochter zwar geerbt hat, zum Glück jedoch nur selten auslebt.
»Keine Frage, Gisela, das ist ein hoher Anspruch. Aber nur wer viel verlangt, wird auch viel bekommen.« Eine Weisheit, so wahr wie spontan ausgedacht. Ich beschloss, sie patentieren zu lassen. »Leider haben wir noch keinen Plan, wie wir unsere Träume umsetzen können. Und da ihr, liebe Eltern und Schwiegereltern, all das, was uns noch bevorsteht, erfolgreich hinter euch habt, möchten wir gern von eurer Erfahrung profitieren. Man muss das Rad ja nicht in jeder Generation neu erfinden.«
»Bravo, lieber Murat.«
»Und bravo, liebe Ann-Marie«, warf meine Herzensgattin leicht beleidigt ein.
»Entschuldige, Herzblatt. Bravo euch beiden«, korrigierte sich mein Schwiegervater. »Es zeigt Lebensklugheit, wenn die Jugend von den Erfahrunge des Alters profitiere möcht.«
»In Türkei so üblich«, behauptete mein Vater wider besseres Wissen. »Hat der Junge da gelernt.«
»Dann, liebe Familie«, erwiderte Frank, wie immer friedfertig, »lasst uns auf die kluge türkische Gepflogeheite anstoße.«
»Bevor wir anstoßen, sollten wir erst einmal hören, was die Kinder eigentlich wissen wollen«, mischte sich Anne ein. In protokollarischen Dingen war sie seit jeher konservativ.
Ich ging gleich in die Vollen. »Frage eins: Wie viel Geld sollten wir maximal für das Grundstück verbraten? Wir müssen unser Budget ja auf Grundstück und Hausbau aufteilen.«
»Na ja«, setzte mein Schwiegervater vorsichtig an, »des hängt davon ab, welchen Standard euer Wunschhaus habe soll. Also Größe, Wertigkeit der Baumaterialie et cetera. Und wie viel ihr an eigener Arbeitsleistung inveschtiere könnt. Handwerker sin teuer. Je mehr ihr bei dene einschpart, desto schtärker könnt ihr beim Grundstückskauf klotze. Davon abgesehe dürft ihr auf keine Fall die Nebekoschte aus de Auge verliere.«
»Was für Nebenkosten?« Davon hörte ich zum ersten Mal. Sollte der Spaß etwa noch teurer werden?
»Na ja, Grunderwerbssteuer, Notarkoschte, und net zu vergesse das meischt recht üppige Architektehonorar.«
»Architektenhonorar fällt nicht an«, behauptete ich nassforsch.
Meine Schwiegereltern räusperten sich irritiert. Wahrscheinlich glaubten sie, ich hätte einen schlechten Witz gemacht. Meine Eltern dagegen starrten mich entsetzt an. Siekannten mich besser und ahnten wohl schon, worauf ich hinauswollte.
»Ich meine das ernst«, erklärte ich. »Was macht ein Architekt denn? Er entwirft den Grundriss, reicht ihn beim Bauamt zur Genehmigung ein und überwacht am Ende die Ausführung. Ich weiß, genehmigen lassen kann ich den Bau nicht. Alles andere aber schon.«
Jetzt starrten mich Ann-Maries Eltern ebenfalls entsetzt an.
»Muratle, Architekte sin net umsonscht hochbezahlte Schpezialischte.« Obwohl meine Schwiegermutter mich zweifellos achtete und liebte, konnte sie in solchen Momenten nicht verbergen, dass sie ihre einzige Tochter lieber an einen Akademiker verheiratet hätte.
Meine Mutter sprang mir zur Seite. »Wisst ihr nicht, dass Murat um ein Haar Bauzeichner geworden wäre?«
»Echt?« Meiner Frau war diese Tatsache genauso neu wie dem Rest ihrer Familie.
»Ja. Murat hat als Kind dauernd Comics gezeichnet. Und mit Lego-Steinen gebaut. Darum hat ihm der Berufsberater empfohlen, Bauzeichner zu werden.«
»Super!« Ann-Marie war aus unerfindlichen Gründen begeistert von
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