Das Dach kommt spaeter
Die ist eher der grundskeptische Typ.
»Ist mehr als sechshundert Quadratmeter und in Britz.«
»Britz?«
Obwohl meine Schwiegereltern uns nun schon mehrfach in Berlin besucht haben, kennen sie, genau wie viele Berliner, nur die Stadtviertel in der Nähe ihrer jeweiligen Bleibe.
»Britz ist das Zehlendorf Neuköllns«, antwortete ich mit berechtigtem Heimatstolz. Denn Britz ist tatsächlich sehr grün und erinnert zumindest entfernt an einen Nobelvorort. Und liegt dennoch ziemlich zentral. Der Ruinendealer Kosewitz hätte es glatt »Citylaje« genannt.
»Neukölln, mmhh.« Begeistert klang das nicht.
»Murat hat recht«, sprang mir Anne zur Seite. »Außerdem kenne ich das Grundstück. Von dort sind es nur ein paar Meter zum Britzer Garten, ein wirklich schöner Park.«
»Toll!« Ann-Marie hüpfte in die Luft vor Begeisterung.
Ihre Eltern ließen sich nicht so schnell überzeugen. Vor allem wunderten sie sich über den günstigen Preis. Wo denn da der Haken sei?
»Ist kein Haken. Robert hat dreißigtausend bezahlt, will keinen Verlust, also verkauft wieder für dreißigtausend.«
Babas Erläuterung weckte nun erst recht das Misstrauen meiner angeheirateten Verwandtschaft. Da müsse doch etwas grundlegend faul sein. Kein Mensch würde ein günstig erstandenes Grundstück zum Einkaufspreis hergeben. Der Sinn von Handel und Wandel sei nun einmal der Profit. Eine Erkenntnis, die jeder Schwabe schon mit der Muttermilch einsauge.
Nun wurde Baba laut. »Robert kein Schwabe. Robert Berliner. Und Berliner ehrlich. Wie Türken! Machen gern Profit, aber nie mit Freunden«, polterte er. Jetzt schoss mein Vater deutlich über das Ziel hinaus. Auch ich kannte Robert, und er mochte ein herzensguter Mensch sein, war aber bestimmt kein selbstloser Wohltäter. Es war an der Zeit, wieder in die Debatte einzugreifen.
»Baba, Frank und Gisela haben doch nicht ganz unrecht. So wie ich Robert kenne, könnte an dem Angebot schon ein kleiner Haken sein.«
»Was für Haken?« Mein Baba wirkte inzwischen so sauer, dass ich befürchtete, er würde gleich aufstehen und gehen. Das wäre typisch für ihn. Hier galt es dringend gegenzusteuern, was meiner sozial äußerst kompetenten besseren Hälfte auch schon aufgefallen war. »Zeit fürs Dessert«, säuselte sie. In den Gesichtern unserer Tischgesellschaft sah ich statt Vorfreude ernsthafte Besorgnis. Man traute uns wohl keinen lukullischen Befreiungsschlag mehr zu. Ich hatte die Hoffnung ebenfalls fahrenlassen. Doch siehe da: Als die Raki-Schupfnudeln auf dem Tisch standen, dufteten sie überraschend appetitlich. Baba, von Natur aus eine Naschkatze und wegen der vorherigen Zurückhaltung noch sehr hungrig, griff sofort zu und schaufelte einen großen Löffel ohne unnötige Umwege direkt aus der Schüssel in seinen hungrigen Mund. Wohlig seufzend, ja fast schnurrend, lehnte er sich zurück und schloss die Augen, um das anscheinendköstliche Dessert zu genießen. Plötzlich riss er die Augen wieder auf, presste sich panisch seine Serviette gegen den Mund und galoppierte laut keuchend aus der Küche. Wohin auch immer.
Ann-Marie schnappte die Dessertschüssel und kippte den Inhalt kommentarlos in den Mülleimer. »In der Tiefkühltruhe ist noch Eis«, merkte sie an. »Möchte jemand?« Alle Hände schossen in die Höhe.
Anne war so nett, das peinliche Finale unseres Festmahls zu übergehen, und nahm den Faden der Grundstücksdebatte wieder auf. »Ich finde es toll von Süleyman, wie er Kontakte geknüpft und schon ein wenig vorverhandelt hat.« Glücklicherweise waren alle Anwesenden klug genug, meiner Mutter an dieser Stelle nicht zu widersprechen. Verhandelt worden war ja anscheinend nichts. »Das Grundstück ist außerdem wirklich schön gelegen« – »Lage, Lage, Lage«, fiel mir erneut Kosewitz ein –, »und deshalb kann es uns doch völlig egal sein, ob Robert Profit macht oder nicht. Wegen seines guten Drahts zum Bezirksamt hat er sicher weniger als dreißig Mille gezahlt. Na und? Für unsere Kinder ist es trotzdem ein gutes Geschäft. Und Robert ist zwar ein Schlitzohr, aber kein Betrüger. Der würde uns nix verkaufen, was einen versteckten Haken hat.«
»Wäre er sofort raus aus Verein«, grummelte Baba, der, noch etwas bleich im Gesicht, auf unsicheren Beinen in die Küche zurückgeschwankt kam.
»Eben. Ich glaube allerdings, Süleyman, dass ich den nicht versteckten Haken kenne.«
Ich sah, wie mein Vater kaum merklich zusammenzuckte. Meine Mutter hatte ihren
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