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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Subunternehmer akzeptieren. Doch bevor ich meinen ersten Satz in die Runde feuern konnte, hatte Schmuh senior bereits das Wort an sich gerissen.
    »Zur Information, Herr Topas: Wir sind die führende Firma im Berliner U-Bahn-Bau! Sowie ganz vorne bei Brücken und Unterführungen. Und das, obwohl wir das Betonieren bei den Betonköppen der SED gelernt haben, höch, höch, höch.«
    Ganz in der Tradition von Labermakler Kosewitz gedachte er offenbar nicht, seinen Monolog vor dem Ableben seiner Zuhörer zu beenden. Ich trank einen Kaffee, zwei Kaffee, drei Kaffee. Aß ein, zwei, drei, vier Stück Kuchen. Auch der Rest der Truppe stopfte aus purer Langeweile alle greifbaren Lebensmittel in sich hinein.
    Schmuh ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Erst als ich mir die siebte Tasse Kaffee einschenkte, kam der Satz, auf den ich fast nicht mehr zu hoffen gewagt hatte: »Jetzt aber zu Ihrem Entwurf, Herr Topas.«
    Genau in diesem spannenden Moment vibrierte das Handy in meiner Hosentasche. Was für ein schlechtes Timing. »Sorry«, murmelte ich. Auf dem Display blinkte der Name meiner Frau, die auf Wegdrücken erfahrungsgemäß allergisch reagierte. Ich machte eine entschuldigende Geste und tippte auf den Annahmeknopf.
    »Ann-Marie, es ist grad sehr ungünstig ... Ann-Marie?«
    Täuschte ich mich oder weinte sie?
    »Was ist los, Schatz?«, flüsterte ich. Ich hasse es, in der Öffentlichkeit zu telefonieren. Alle Anwesenden bekamen sofort lange Ohren.
    »Murat, wir brauchen
unbedingt
ganz schnell ein Haus ...«
    »Ja, das weiß ich, mein Engel, deswegen bin ich doch hier.«
    »Nein, du weißt gar nichts! Unsere Wohnung ist an britische Heuschrecken verramscht worden. Wusstest du das? Ich nicht. In drei Monaten sollen wir raus. Ich habe gerade die Kündigung aus der Post geholt.«
    »Hör doch auf zu weinen, Schatz.« Die Ohren der Lauschenden wuchsen auf Dumbo-Größe. »Die müssen uns mit Sicherheit mehr Zeit geben. Gleich nachher rufe ich den Mieterverein an, okay?«
    Meine beruhigenden Worte verfingen nicht. Vielleicht fehlte mir schlicht die suggestive Kraft, das männliche Timbre, das Frauen in solchen Momenten hören wollen und das ihnen vermittelt, dass alles gut wird. Stattdessen klang ich schwer gereizt, und genau das war ich auch. Eine weitere Front brauchte ich so dringend wie ein Pinguin eine Badehose. Die Nachricht von der Kündigung erfüllte mich mit der gleichen Panik wie meine Frau. Währenddessen wurde das Schluchzen am anderen Ende der Leitung stärker und stärker. Ann-Marie entwickelte hysterische Szenarien, in denen wir, in alte Zeitungen gehüllt, mit zwei hungernden Blagen auf dem Arm, unter einer Brücke hausten. Die Ängste konnte ich voll nachvollziehen, aber das brachte uns nicht weiter. Ich entschied mich, das Gespräch auf sehr maskuline Art zu beenden. »Danke für den Anruf, Schatz. Wir besprechen das später.«
    Ende Gelände. Ich konnte mir lebhaft ausmalen, wie meiner Gattin meine Reaktion gefiel, und schaltete das Telefon schleunigst aus. Die Umsitzenden fuhren unauffällig ihre Ohren wieder ein.
    »Tut mir leid«, ging ich die peinliche Situation offensiv an.
    »Zu Ihrem Entwurf also«, griff der alte Schmuh den Faden ungerührt auf. »Ich bin kein Mann unnötiger Worte«,an dieser Stelle kicherte Schmuh junior plötzlich, verstummte unter dem strengen Blick seines Erzeugers aber sofort wieder. »Ihr Entwurf, Herr Topas, ist Schrott!«
    Nun schlug es aber vierzehn. In was für eine Freakshow war ich denn hier geraten? War mein Plan nicht durch alle Instanzen gegangen und von höchster Stelle, sprich Herrn Pfleiderer, abgesegnet? Ich atmete tief durch, was mir in der nikotinverseuchten Luft einen saftigen Hustenanfall bescherte. So ging das nicht weiter. Ich war einfach zu höflich und zurückhaltend. Höchste Zeit, Tacheles zu reden. »Herr Schmuh, jetzt hören Sie mal gut zu!«
    »Gerne!« Er lehnte sich entspannt zurück, zog genüsslich an seiner ekligen Zigarre und wirkte insgesamt wie jemand, der sich auf ein höchst vergnügliches Schauspiel freut.
    »Sie machen also irgendwie in U-Bahn.«
    »Sowie in Brücken und Unterführungen!« Kommentarlos zuzuhören fiel ihm schwer.
    »Von mir aus. Bei meinem nächsten Brückenbau komme ich gerne auf Sie zurück. Vorher baue ich aber noch ein ganz simples HAUS. Und zwar mit der Firma Hebbel! Herr Hammelsack«, knöpfte ich mir den sich nervös am Ohr zupfenden Vertriebsmann vor. »Habe ich nach einem U-Bahn-Anschluss im Keller

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