Das Dach kommt spaeter
für britische Heuschrecken, die uns aus der Wohnung klagen wollten? Frauen verlieren in ihrer Wut oft den Sinn für Zusammenhänge. Doch warum sich aufregen? Ich hatte an diesem Tag schon so viele unverdauliche Kröten geschluckt, da kam es auf eine mehr oder weniger nicht mehr an. Zerstreut durchwühlte ich die Post nach dem Kündigungsschreiben. Bevor man sich mit der Verpflichtung eines Anwalts in weitere Kosten stürzte, konnte es ja nicht schaden, die Grashüpfer einfach mal anzurufen. Die Kündigung fand ich nicht, wohl aber einen ungeöffneten Brief vom Bauamt. Und der enthielt die erste gute Nachricht des Tages: die Baugenehmigung. Ich rief Baba an, um ihm die frohe Kunde zu überbringen – die vielen schlechten Botschaften ersparte ich ihm lieber.
»Na endlich«, brachte er unser aller Gefühle auf den Punkt.
Vor den Baubeginn hatte das Schicksal jedoch den Abriss der Ruine gesetzt, die das Grundstück zierte. Wobei das Wort Ruine falsche Assoziationen zum Aggregatzustand des Gebäudes weckte, der leider ausgesprochen massiv war. Das stellte mich vor gewisse Probleme. Zwar hatte ich seit Beginn des Eigenheimdramas alles gelesen, was mir zum Thema Hausbau in die Finger kam, aber der Punkt »Abriss« war dabei erstaunlich unterrepräsentiert. Man könnte auch sagen, er wurde schlicht totgeschwiegen. Immer ging es nur um Bauen, Renovieren, Restaurieren – nie jedoch um Zerstören, Verwüsten, Vernichten. Aber ohne Abrissbirne auch kein neues immobiles Leben: »Auferstanden aus Ruinen«, wie es die einstige DDR-Hymne so schön auf den Punkt brachte. Diese Dialektik von Werden und Vergehen blendeten die Werbetrommler der Immobilienbranche schamhaft aus. Und so hatte ich, wenn überhaupt, nur eine äußerst vage Vorstellung davon, wie der lästige Steinquader pulverisiert werden könnte. Meine interfamiliären Berater, also Baba und Schwiegerpapa, waren in dieser Sache genauso unbeleckt wie ich.
Um das Problem irgendwie anzugehen, rief ich meinen alten Schulkumpel Dirk an. Dirk war nicht gerade der Typ, den ich Freund nennen würde, aber man kannte sich und – er arbeitete bei einem Baumaschinenverleih.
»Dirk, altes Haus, wie geht’s denn so?«, machte ich einen auf Kumpel.
»Man kann gar nicht genug jammern. Wieso fragst du, was gibt’s?«
Ich kam gleich zur Sache. »Welche Bewaffnung braucht man zur Zerstörung eines eingeschossigen Steinbungalows?«
»Ein Radlader reicht«, war seine kurze, aber eindeutige Antwort.
»Radlader, alles klar«, sagte ich lässig, obwohl ich skeptisch war, ein solches Gerät bedienen zu können. »Welche Größe?«
»Der darf auf keinen Fall zu klein sein, sonst kommst du nicht durch die Wand. Am besten nimmst du den Kramer 200.«
»Den Kramer 200. Bingo«, bestätigte ich cool. Keine Ahnung, was das bedeutete.
»Gut. Für wann soll ich das Teil reservieren?«
»Äh, na ja«, ich geriet ins Stottern und spürte, wie sich tief in mir der schwäbische Einfluss bemerkbar machte: lieber erst einmal Preise vergleichen.
»Du, Dirk, ich ... äh ... muss den Termin noch mit meiner Familie absprechen«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen.
»Okay, aber der 200er ist immer schnell vergriffen, da solltest du nicht zu lange fackeln.«
»Nee, ist klar, Dirk, besten Dank erst mal.«
Kramer 200, hm. Ich sah mir im Internet die Angebote von ein paar Baumaschinenvermietern an. Himmel, waren die Dinger teuer. Vielleicht reichte ja auch ein Minibagger? So groß war die Hütte eigentlich gar nicht. Bei genauerem Hinsehen tat es vermutlich sogar ein Vorschlaghammer. Baba war allerdings ganz anderer Meinung.
»Musst du unbedingt nehmen große Maschine, Murat. Nur damit geht Haus richtig kaputt.«
Wir verabredeten uns für das übernächste Wochenende. Beruhigt wandte ich mich wieder der Alltagsbewältigung zu, was ein dichtes Programm als Vater, Mann und Comedian bedeutete und mich völlig vergessen ließ, dass die Zerstörung der Ruine vorbereitet werden wollte. Am Donnerstag vor dem Abrisswochenende surrte mein Smartphone.
»Was ist, Junge, hast du Maschine?«
Au Mist, was war ich manchmal für ein Schussel.
»Ja klar, Baba ...«, log ich und bekam Herzrasen.
»Was für Maschine ist?«
»Ein Radlader ... Kramer 200.« Zum Glück hatte ich mir wenigstens die Typbezeichnung gemerkt.
»Krama sweihundat. Sehr gut, Junge«, lobte er. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er wusste, wovon ich redete, aber egal. Hauptsache, Baba war beruhigt. Das war sozusagen die halbe Miete,
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