Das Dach kommt spaeter
geschah etwas Unerwartetes.
»Also, ick finde die Diskussion hier mehr als flüssig, nämlich überflüssig. Der Herr Topas, der hat nen juten Entwurf jemacht. Und die Frau Stahl hat ooch n juten Entwurf jemacht. Wat soll denn dit Jelaba?«
Ich traute meinen Augen nicht. Da stand in seiner dreiteiligen Kompaktheit der wie bei unserem ersten Treffen mit Dufflecoat, Cordhose und Hornbrille ausstaffierte Citylagenmakler und blickte kopfschüttelnd in die Runde.
Ich war so baff, dass ich mich gleich mehrfach in den Arm zwickte. »Herr Kosewitz. Was machen Sie denn hier?«
»Ick steh hier rum, dit sehn Se doch.«
»Herr Kosewitz ist unser neuer Bauleiter«, präzisierte der alte Schmuh. »Da Sie beide sich wohl schon kennen, übernimmt er für Ihr Projekt die Gesamtleitung sowie die Koordination der verschiedenen Gewerke.«
»Wieso«, fragte ich Kosewitz konsterniert, »sind Sie denn auf einmal Bauleiter?«
»Na, Sie sind ja n ulkijer Vojel. Soll ick etwa den Rest meines Lebens für de Portokasse knechten? Alle wollen doch nur noch Laje, Laje, Laje.«
Zum Glück hatte er diesmal wenigstens keine Hupe an der Hand.
»Gut, meine Herren, werte Frau Stahl«, ich sammeltemeine Unterlagen ein und quälte mich, in der letzten halben Stunde um Jahre gealtert, mühevoll aus meinem Aluminium-Stuhl, »das sind erstaunlich viele unerwartete Neuigkeiten. Ich fahre jetzt erst einmal nach Hause. Und bringe mich entweder um oder bespreche mich mit meiner Familie. Aber eins sage ich Ihnen schon jetzt: Das Haus wird nach meinem Plan gebaut oder gar nicht.«
»Klar, ganz wie Sie meinen, Sie sind der Chef«, lenkte Zigarren-Schmuh sofort ein. Warum dann überhaupt der ganze »Alles Schrott«-Zinnober? Damit ich nicht merkte, wie ich von Hebbel und deren Spießgesellen nach Strich und Faden verarscht wurde? Auf der Rückfahrt wurde mir die Dramatik der Situation erst richtig bewusst: erstens eine gekündigte Wohnung, zweitens dilettantische U-Bahn-Hansel, die einen völlig ahnungslosen Exmakler zum Bauleiter befördert hatten, und drittens eben dieser Bauleiter, dessen einzige mir bekannte Kompetenz darin bestand, dass er Menschen innerhalb kürzester Zeit ins Jenseits zu quatschen vermochte. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich all diese Entwicklungen Ann-Marie erklären sollte, deren Stimmung wegen des abrupten Endes unseres Telefonats ohnehin schon nicht die beste sein dürfte.
13. Kapitel
Was nicht passt, wird passend gemacht
»Ist heute der erste April? Das ist doch alles nicht wahr, oder?«
Ann-Marie war, obwohl ich meinen Erlebnisbericht bewusst zurückhaltend formuliert hatte, wie vor den Kopf gestoßen. Sie nestelte wild an ihren Haaren herum. Wenigstens vergaß sie über all den schlechten Nachrichten ihren Ärger über mein rustikales Gesprächsverhalten am Telefon. Nach Abklingen der ersten Panik hatte sie sogar schon Kontakt zum Mieterverein aufgenommen.
»Wenn wir hier weniger als fünf Jahre wohnen – und das tun wir, glaube ich –, dürfen die uns echt innerhalb von drei Monaten raussetzen.«
»Ist das ein Witz, Ann-Marie? Wir sind mindestens fünf Jahre hier. Da muss doch wohl eine längere Frist drin sein!«
»Selbst dann müssten wir spätestens in einem halben Jahr raus sein. Der Mieterfritze empfiehlt uns, einen Anwalt zu nehmen und auf besondere Härte zu plädieren. Dadurch kann man die Räumung vielleicht so lange hinauszögern, bis wir in Britz fertig sind.«
»Prima Tipp. Und den Anwalt zahlen wir mit Kokosnüssen? Unser Budget ist doch jetzt schon im blutroten Bereich.« Ich hätte vielleicht nicht ganz so aufgebracht reagierensollen. Meiner Frau, die sich bis dahin halbwegs im Griff hatte, brannten nun endgültig die Sicherungen durch. Eine nach der anderen. Ich konnte es richtig klicken hören.
»Weißt du, was ich an dir besonders schätze, Murat? Dass du deinen Ärger immer an anderen auslässt. Bevorzugt an mir. Habe ICH gegen jeden Rat und jede wirtschaftliche Vernunft Hebbel engagiert? Habe ICH einen Vertrag unterschrieben, ohne vorher das Kleingedruckte zu lesen? Du hältst dich doch eh für den Größten, also sieh gefälligst zu, wie du uns aus dem Schlamassel wieder rausholst, in den du uns erst reingeritten hast.« Türenknallen, Schmollprogramm, Versöhnungsdatum ungewiss.
Ann-Maries Vorwürfe waren zwar bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, in dieser Vehemenz jedoch völlig überzogen. Gut, was den Deal mit Hebbel anging, hatte ich Fehler gemacht. Aber was konnte ich
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