Das Dach kommt spaeter
erklären können, dass ich seine berufliche Zukunft in fremde Hände gelegt hatte.
Unentschlossen standen wir drei zunächst eine Weile herum und diskutierten die beste Strategie, den Steinquader zusammenzufalten. Genauer gesagt diskutierten wir zu zweit, denn Gerds Kommentare beschränkten sich auf gelegentliches »Jau« und noch gelegentlicheres »Das könnte klappen«. Beide Beiträge waren von begrenztem Erkenntniswert. Am Ende einigten wir uns darauf, dass Kramer und ich uns unauffällig von hinten nähern, blitzschnell mit der Schaufel zuschlagen und den Schutt anschließend auf die Terrasse kippen sollten. Von dort könnten meine beiden Spießgesellen ihn am besten wegschaufeln. Nachdem Gerd den ausgeklügelten Plan mit einem kernigen »Das könnte klappen« geadelt hatte, verabredeten wir uns für Samstagmorgen um neun und gingen unserer Wege.
Tatsächlich standen wir zur vereinbarten Stunde alle wieder vor dem Haus, klopften uns gegenseitig aufmunternd auf die Schultern und versicherten uns, den hässlichen Steinhaufen bis abends dem Erdboden gleichgemacht zu haben.Wider Erwarten hatte ich in der Nacht sogar relativ gut geschlafen. Zwar sah ich mich im Traum den Kramer in einem unbedachten Moment zu Schrott fahren, indem ich durch ein ungeschicktes Ausweichmanöver ungebremst in die Eingangshalle einer U-Bahn-Station donnerte, auf die Gleise fiel und von einem einfahrenden Zug zermalmt wurde – aber da ich nicht abergläubisch bin, deutete ich dies als gutes Omen. Halbwegs zuversichtlich erklomm ich den Fahrersitz, startete die Maschine und ruckelte auf das Zielobjekt zu, um es zu umrunden. Ich fühlte mich wie Hannibal, der auf seinem Kriegselefanten gen Alpen reitet.
Zwei im Weg stehende Obstbäumchen entgingen bei meinem Manöver leider meiner Aufmerksamkeit, und auch die Warnrufe meiner Helfer erreichten mich bei dem Lärm der Maschine viel zu spät. Kleine Kollateralschäden lassen sich selten vermeiden. Wo gehobelt wird, fallen nun einmal Späne, und so rieselten die Obstbäumchen nach ihrer Begegnung mit dem Kramer zu Boden. Aus dem Augenwinkel sah ich in der Tür des Nachbarhauses ein Muscle-Shirt erscheinen und hörte, wie Worte wie »Filzläuse«, »Anarchisten« und »Prügel« gebrüllt wurden. Die Einfallslosigkeit dieser Beschimpfungen begann mich zu ermüden. Unbeeindruckt umfuhr ich den Bungalow und ging auf der anderen Seite in Angriffsstellung. Es war klar, dass dieser steinerne Schandfleck nun sein Testament machen konnte. Leidenschaftlich feuerte mich Baba per Handzeichen an, zur Sache zu kommen. Das war ganz in meinem Sinne. Ich nahm mein Ziel ins Visier und gab Gas.
Ich kam keine fünf Meter weit. In voller Fahrt sackte der Hausterminator plötzlich ein und blieb mit schräg nach vorn geneigter Schnauze stecken. Ich versuchte, mehr Gas zu geben, aber das linke Vorderrad grub sich nur noch tiefer in die Erde, Allradantrieb hin oder her.
Aufgeregt lief mein Baba auf mich zu. »Kein Gas mehr!«
Recht hatte er. Ich schaltete die Kiste aus, kletterte vom Sitz und analysierte mit Baba und Gerd das Malheur. Unter dem Vorderrad öffnete sich ein dunkles Loch. Wir leuchteten mit einer Taschenlampe hinein und entdeckten einen aus Kriegszeiten übriggebliebenen Luftschutzraum, der bis zur Decke mit alten Einmachgläsern und anderen Vorratsbehältern vollgestapelt war. Und durch eben diese Decke war der Radlader eingebrochen. Na super.
Den Rest des Tages verbrachten wir, trotz der Februarkälte schwitzend, mit dem Freischaufeln und Wieder-in-Gang-Bringen des Kramer. Nur unter Aufbietung all meiner Willenskraft schaffte ich es, die immer wiederkehrenden Gedanken an Dirks zukünftige Arbeitslosigkeit zu verdrängen. Mit viel Mühe und noch mehr Glück gelang es uns schließlich, die kostbare Leihgabe vor der Verschrottung zu bewahren. Mit »wir« meine ich übrigens Baba und mich. Gerd zeichnete sich weiterhin durch höfliche Zurückhaltung aus. Für jemanden, dessen Leidenschaft angeblich die Arbeit war, wirkte er bei allen anfallenden Aufgaben erstaunlich teilnahmslos. Völlig erschöpft verschoben Baba und ich einen zweiten Abrissversuch auf den nächsten Tag.
»Da müssen wir uns aber früher treffen. Ich muss den Kramer bis abends um sechs abgegeben haben«, betonte ich.
»Jau.«
Auch Sonntag früh um acht Uhr waren glücklicherweise alle pünktlich. Wir hatten Kraft und Mut getankt und entschieden uns für eine neue Taktik. Diesmal sollte der Kramer den Steinquader von der
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