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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Terrassenseite aus eindrücken. Damit wollten wir eine erneute Bodenfalle vermeiden. Außerdem hofften wir, dass der geballte Bauschutt den Rest der löchrigen Kellerdecke zum Einsturz bringen und sich indem entstehenden Hohlraum praktisch von selbst entsorgen würde.
    Dazu musste die Monsterraupe jedoch in eine neue Ausgangslage gebracht werden, was neue Opfer kostete. Obwohl ich extrem vorsichtig war, gingen beim Rangieren ein weiteres halbes Dutzend Bäumchen und Sträucher zugrunde. Ich möchte nicht herzlos klingen, aber die hätten vermutlich ohnehin unserem Neubau weichen müssen.
    Nun näherte ich mich dem Feind also über die Terrasse, die Schaufel halbhoch gestellt wie ein Ritter beim Turnierkampf seine Lanze. Langsam tastete ich mich bis an die Außenwand heran – und drückte dann das Gaspedal bis zum Anschlag herunter. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die Hütte durch diese mächtige Attacke widerstandslos in sich zusammenfallen würde. Nichts da, widerspenstig blieb es einfach stehen, das dumme Ding. Ich setzte zurück und nahm neuen Anlauf. Wieder vergeblich. Erst beim dritten Versuch krachte die Schaufel endlich mit Karacho durch die Wand. Und ich gleich mit. Oder zumindest um ein Haar, denn zu meinem Glück hatte ich mich angeschnallt. Trotzdem prellte ich mir durch die Wucht des furiosen Schlags unglücklich die Schulter. Bis unter die Haarspitzen vollgepumpt mit Adrenalin, ignorierte ich den stechenden Schmerz und setzte, angefeuert vom Gejohle meiner Mitstreiter, in der Wolke aus Schutt und Staub erneut zurück. Ein ums andere Mal wiederholte ich dieses Spiel. Nach kaum einer halben Stunde war der scheußliche Quader Geschichte, und ich sah – von oben bis unten staubbedeckt – aus wie Loriots Steinlaus.
    Leider hatten sich die Unmengen an Bauschutt entgegen unseren Hoffnungen nicht selbsttätig in den Luftschutzraum entsorgt, sondern lagen wie ein Mahnmal für den unbekannten Arbeiter in einem riesigen Haufen vor uns. Ich blickte auf die Uhr. Kurz vor elf.
    »Murat, jetzt Pause für Frühstück.«
    »Jau«, bekräftigte Gerd Babas gut gemeinten Vorschlag.
    »Das geht nicht. Guckt mal, wie viel noch zu tun ist. Und ich muss den Kramer bis sechs zurückbringen.«
    »Junge, musst du Miete verlängern bis morgen. Schaffen wir nicht, Container bis sechs voll zu machen.«
    Natürlich hatte er recht, aber Miete verlängern war ja nicht drin. Also musste ich mich auf mein orientalisches Märchenerzählertalent verlassen.
    »Baba, ich kann das Ding nicht später zurückgeben.«
    »Warum?«
    »Weil, ähm, weil ich keine
Miete
zahle«, schwafelte ich diffus. »Ich habe den Kramer praktisch zum Nulltarif bekommen, verstehst du? Der absolute Top-Deal«, zwinkerte ich verschwörerisch, um den Unfug plausibler wirken zu lassen.
    »Junge, was hast du gemacht?« Babas Neugier war geweckt und wollte nun auch befriedigt werden
    »Na ja«, legte ich eine rhetorisch wirkungsvolle Pause ein, um sein Interesse weiter anzufachen. Und Zeit zu gewinnen, mir vielleicht doch noch eine halbwegs plausible Geschichte zusammenzuspinnen. »Das Teil hier, der Kramer 350, ist ein geheimer Prototyp,
den gibt es quasi noch gar nicht,
alles klar?«
    »Aha.«
    Baba wirkte nicht so, als könnte er meinen bizarren Ausführungen folgen. Noch dümmer schaute Gerd aus der Wäsche, aber das schien bei ihm normal zu sein.
    »Na ja, der Prototyp soll jedenfalls morgen früh nach Dubai verschifft werden, und wenn der Scheich begeistert ist, gibt er einen Großauftrag. Und ich hab einen Kumpel bei der Firma, und weil der gern wollte, dass jemand den Kramer vorher noch testet, habe ich mich sozusagen freiwillig gemeldet«,beendete ich meine Story und versuchte, vertrauenerweckend zu lächeln.
    Baba klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Ist mein Sohn! Clever Junge«, stieß er Gerd in die Seite.
    »Jau.«
    »Gut, dann machen wir jetzt weiter. Nicht dass platzt Superdeal mit Scheich von Dubai.«
    »Jau.«
    Nachdem ich die Frühstücksattacke damit glücklich abgewehrt hatte, konnten wir uns an die Sisyphosaufgabe machen, den Berg aus Steinen, zerbrochenen Fenstern, Dachpappe und Balken zu sortieren, denn kaum etwas ist so teuer wie das Entsorgen von »gemischtem Bauabfall«. Und so verfrachteten wir mit Geduld, Spucke und massivem Zeitdruck den Schutthügel nach Materialien getrennt in die Container. Um zehn nach fünf hatten wir es tatsächlich geschafft: Sämtliche Restbestände waren ordnungsgemäß verstaut und wir am Ende unsere

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