Das Dach kommt spaeter
den Rechtsverdreher. Ihr Häuschen steht schnella, als jeda Gerichtsvollzieha räumen kann. Dit is so sicha wie der Samen in nem Präser.«
Sein Enthusiasmus in allen Ehren, aber unser Samen musste erst noch gesät werden. Immerhin sollte das für das Aufgehen der Saat notwendige Loch nun gegraben werden. Baba leuchtete diese Vorgehensweise übrigens nicht ein: »In Türkei wird Boden plattgetreten, dann Betonplatte drauf, fertig. Was braucht ihr Keller?«
Ihm war nicht klar, dass in Deutschland das Grundgesetz gilt. Und das besagt: kein Haus ohne Unterbau! Selbst der Geräteschuppen im Garten gehört unterkellert, denn: Man kann ja nie wissen. Und wo sonst könnte die deutsche Nation ihre zahlreichen im Laufe der Geschichte angesammelten Leichen lagern? Deshalb ist der Wunsch nach einemangemessen großen Keller tief im germanischen Erbgut verankert. Man diskutiert ja auch nicht über den Nutzen einer Eingangstür. Oder über ein Dach.
Auf den ersten Blick schien es, als wäre der Aushub der für den Keller notwendigen Grube von meinem wortreichen Bauleiter perfekt durchgeplant worden. Pünktlich sechs Uhr morgens sollte der Bagger angeliefert und eine Stunde später das Loch geschaufelt werden. Für sechzehn Uhr war dann der Betonmischer bestellt. So weit, so gut.
Es war natürlich Ehrensache, dass ich als Bauherr beim Startschuss unseres Nestbaus zugegen sein wollte. Zum einen galt es, Präsenz zu zeigen und dem Team zu signalisieren: Big Bauherr is watching you. Niemand sollte glauben, sich auf meiner Baustelle durchmogeln zu können. Zum anderen muss ich gestehen, dass große Maschinen auf mich, wie auf die meisten Männer, eine gewisse Faszination ausüben. Zwar bin ich nicht so bekloppt wie mein alter Kumpel Sven und stelle mich halb vier Uhr morgens an die Autobahn, um einen Schwerlasttransport zu filmen. Aber den Mitschnitt schaue ich mir durchaus ein paar Stündchen an.
Also quälte ich mich Schlag halb fünf aus dem Bett, denn ich wollte um jeden Preis als Erster auf der ersten eigenen Baustelle meines Lebens sein. Viertel vor sechs stand ich einsam auf unserem frisch planierten Britzer Grundstück. Von Kosewitz und Bagger keine Spur. Laut Plan hatten sie noch eine Viertelstunde Zeit. Dummerweise war ich von der Wettervorhersage, die einen sonnigen Vorfrühlingstag angekündigt hatte, zu einer falschen Garderobenwahl verleitet worden. In meinem Tran war mir entgangen, dass die sternenklare Nacht Bodenfrost gebracht hatte und es um diese Zeit noch dementsprechend kalt war. Meine dünne Jacke war ein denkbar ungeeigneter Schutz gegen den eisigenWind. Schon nach fünf Minuten Wartezeit klapperte ich derart mit den Zähnen, dass jede Flamencotruppe mich als Kastagnettenspieler hätte verpflichten können. Um nicht im letzten Moment vor dem lang ersehnten Baubeginn zu erfrieren, musste ich wie ein tasmanischer Springteufel ununterbrochen auf und ab hüpfen. Ich verfluchte meine idiotische Entscheidung, nicht das Auto, sondern den Bus zu nehmen. Solche Sparsamkeit am falschen Fleck hatte seit meiner Einheirat in die Schwabendynastie leider auf mich abgefärbt. Nur weil ich eine Monatskarte gekauft hatte, trieb mich die schwäbische Konditionierung, bei jeder Gelegenheit den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Ein Verhalten, das für mich als Junggeselle schon aus reiner Bequemlichkeit nie in Frage gekommen wäre. Da sieht man, was die Gehirnwäsche der Brezelbäcker aus einem macht.
Während ich arhythmisch hüpfend meine Dummheit verfluchte, wunderte ich mich zunehmend, wieso kein Bagger am Horizont auftauchte. Es wurde fünf vor sechs, dann schlug die Kirchenglocke in der Nachbarschaft sechs: kein Bagger und kein Kosewitz in Sicht. Das war zweifellos ein erfolgreicher Auftakt unseres großen Bauabenteuers. Im Fernsehen hatte ich einige Monate zuvor eine Reportage über einen am Amazonas lebenden Stamm gesehen, der keinen Ausdruck für »Zeit« kennt. Es gibt nur ein Wort für »Sonnenlicht« und eines für »schwarz«. Demzufolge unterteilt man dort den Tag in hell und dunkel. Das Jahr wiederum wird gegliedert in Trockenzeit und Regenzeit. Hatte Kosewitz dort etwa Verwandte? Zum x-ten Mal beschlich mich die Erkenntnis, dass die Firma Hebbel und ihre Erfüllungsgehilfen der Fehlgriff meines Lebens waren. Aber dieser sinnlose Ärger kam ebenso zu spät wie der Bauleiter und sein Baggerführer. Inzwischen war es Viertel nach sechs. Wo steckten diese unseligen Gestalten? Die aufloderndeWut wärmte mich ein
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