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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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nicht gut.
    Zum unvermeidlichen Showdown kam es ausgerechnet an unserem Hochzeitstag. Ich muss erwähnen, dass mein Hirn aus irgendwelchen Gründen nicht auf Gedenktage geeicht ist. Geburtstage, Namenstage, Hochzeitstage, nichts davon kann ich mir merken. Selbst meinen eigenen Geburtstag habe ich nie parat. Gegen diesen Hardwarefehler hilft auch kein Smartphone. Kaum ploppt dort die Wiegenfest-Erinnerung auf, habe ich sie schon wieder vergessen. Bei wichtigen Geburtstagen war meine Frau deshalb dazu übergegangen, mich so lange stündlich anzufunken, bis meine Antwort-SMS kam:
Alles klar, habe gratuliert.
Seitdem vergaß ich nur noch die beiden Geburtstage, an die sie mich nicht erinnerte: meinen und ihren. Und natürlich unserenHochzeitstag. Da unsere Beziehung ohnehin schon unter keinem guten Stern stand, wollte ich dieses Mal unbedingt ein zuverlässiger Ehemann sein und hatte direkt auf der Lesebrille, zu der ich nach dem Aufwachen gewohnheitsmäßig als Erstes griff, einen fetten Reminder platziert. Leider wurde ich ausgerechnet an diesem Morgen von einem Dramaanruf meines hyperventilierenden Bauleiters unsanft aus dem Schlaf gerissen.
    »Herr Topas. Dit jibts nich, aba de Fundamentplatte hat nen Riss. So wat hab ick ja noch nie erlebt.«
    Sofort war ich hellwach. Ein Bruch des Betonfundaments wäre eine echte Katastrophe. So schnell hatte ich es selbst während meines Praktikums bei der Feuerwehr nie aus dem Bett ins Auto geschafft. Mit der ärgerlichen Folge, dass sowohl Lesebrille als auch Reminder unbeachtet blieben – und der Hochzeitstag in den Tiefen meines Unbewussten versank.
    Als ich auf der Baustelle ankam, war Kosewitz nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war er in seiner Überforderung mal wieder »Sssijaretten« holen gegangen. Ich suchte die Betonplatte nach dem angeblichen Riss ab, konnte aber keinen Schaden erkennen. Also wandte ich mich an die vier Bauarbeiter, die um eine Tonne herumhockten und schweigend ihr Frühstück verputzten: Bier, filterlose Zigaretten, Spreegurken. In jenen Tagen reifte in mir die Erkenntnis, dass Handwerker offenbar serienmäßig mit unzerstörbaren Kuhmägen ausgerüstet werden. Egal, zu welcher Tageszeit ich auftauchte, ständig zogen, kippten und würgten diese Leute etwas in sich hinein. Was es war, schien keine Rolle zu spielen, nur eines durfte es nicht sein: gesund.
    Um nicht zu sehr den Boss herauszukehren, bemühte ich mich um eine betont kumpelhafte Ansprache: »Morgen erst mal. Leute, das Betonfundament soll einen Riss haben?«
    Statt einer Antwort nahmen die vier synchron einen kräftigen Schluck aus der Pulle und starrten dabei allesamt trüb vor sich hin. »Keinen Riss gesehen«, bequemte einer sich zu einem knappen Statement.
    Was war denn das nun wieder für eine rätselhafte Affäre? Hatte Kosewitz einen Knick in der Optik? Oder schon am frühen Morgen zu tief ins Glas geschaut? Des Rätsels Lösung nahte hoffentlich in dem verbeulten Astra, der in diesem Moment aufs Gelände bog und quietschend direkt vor mir bremste. Zapplig wie immer sprang mein Bauleiter aus dem Wagen.
    »Katastrophe, Herr Topas. Ham Se schon jesehen?«
    Ich blickte ihn streng an. »Haben Sie getrunken?«
    »Jetrunken?« Er guckte, als hätte ich ihn gefragt, ob er fliegen könne. »Ick bin Profi, ick trinke nur uff Arbeit. Scherz, Herr Topas!«
    »Verschonen Sie mich bloß mit Ihren Witzen. Warum faseln Sie etwas von einem Riss, wenn der Beton offenbar völlig intakt ist?«
    »Intakt?« Er lachte höhnisch. »Und wat is dit?«
    Sein Arm deutete vage in Richtung Fundament. Wider besseres Wissen schaute ich noch einmal genau hin. Ich sah: nichts. »Was ist was?«
    »Na, der riesije Riss.«
    Das wurde mir jetzt zu dämlich. Erneut wandte ich mich an die vier Trübtassen. »Sieht da jemand einen Riss?«
    Synchronschluck, diesmal mit nachgereichtem Synchronrülpser und einhelliger Festlegung: »Kein Riss zu sehen.«
    Entschlossen packte ich Kosewitz am Arm und zerrte ihn zu seinem Beulenopel. »Her mit dem Autoschlüssel. Wir zwei fahren jetzt zum Arzt.«
    Kassenpatienten wissen Bescheid: Der Rest des Vormittagswar Warten. Nach zähen dreieinhalb Stunden Holzstuhlmeditation im so überheizten wie überfüllten Wartezimmer wurde mein Rissminister endlich aufgerufen. Fünf Minuten später stand er schon wieder vor mir.
    »Ich fahre Sie in die Klapse?«, fragte ich rein rhetorisch, sicher, dass nur ein langjähriger Sanatoriumsaufenthalt den durchgeknallten Visionär, der leider mein

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