Das Daemonenschiff
da. Wo er ihn
vermutet hatte, saß nun Urd. In ihrer kriegerischen Kleidung fiel
sie inmitten der Männer kaum auf, und ganz gegen ihre normale
Art schien es den Kriegern auch nichts auszumachen, eine Frau
in ihrer Mitte zu dulden. Vielleicht machten sie ja bei der
Schwester des Königs eine Ausnahme.
»Was?«, fragte er schließlich.
Thure wirkte leise verärgert, zwang sich aber trotzdem zu
einem geduldigen Lächeln. »König Osrik wird die Schiffe mit
seinen eigenen Kriegern befehligen, während ich selbst den Rest
der Männer führe. Dein Freund Abu Dun und du, ihr führt die
Flotte mit der Fenrir an. Wir geben euch dreißig unserer besten
Krieger mit und einen erfahrenen Navigator, der sich in den
Gewässern jenseits der verbotenen Insel auskennt.«
In den Gewässern, die schon seit einem Jahrhundert kein
Schiff mehr befahren hat?, dachte Andrej. Interessant. »Das
wird Abu Dun nicht gefallen«, sagte er lahm und nur um Zeit zu
gewinnen. »Und mir auch nicht.« Für die letzten vier Worte
hätte er sich am liebsten selbst geohrfeigt. Sie waren ihm gegen
seinen Willen herausgerutscht.
Thure wollte antworten, doch Osrik kam ihm zuvor. »Du
fürchtest dieses Schiff noch immer.« Thure lachte abfällig,
während Andrej es vorzog, nicht zu antworten. Der Grauhaarige
musterte ihn noch einen Moment und nickte dann. »Und ich
nehme an, du hast allen Grund dazu.«
»Er und sein Begleiter haben die Wolfsmenschen vernichtet«,
sagte Björn. »Und die Fenrir erobert!«
»Einen Feind geschlagen zu haben, bedeutet nicht zwangsläufig, ihn nicht mehr zu fürchten«, antwortete Osrik, ohne Andrej
dabei aus den Augen zu lassen.
Andrej antwortete mit einer Bewegung, deren Bedeutung sich
jeder der Anwesenden nach eigenem Gutdünken aussuchen
konnte, aber warf Urd einen unmissverständlich Hilfe suchenden Blick zu. Sie reagierte so, wie er es erwartet hatte: mit
einem schadenfrohen Lächeln. »Ich bin nicht sicher, dass wir so
überstürzt aufbrechen sollten«, sagte er schließlich … womit es
ihm immerhin gelang, selbst Osrik ein überraschtes Stirnrunzeln
zu entlocken.
»Welchen Grund gäbe es, noch zu warten?«, fragte Björn.
»Wir sind uns einig. Wir haben günstigen Wind, der uns rasch
an unser Ziel bringen wird, und die Männer sind bereit. Mehr als
achthundert Krieger, die darauf brennen, in den Kampf zu
ziehen. Warum warten?«
Einen Moment lang überlegte Andrej, ob er auf eine Antwort
verzichten solle. Soweit er sich erinnerte, waren dies die ersten
Worte, die Björn gesagt hatte, seit er sich zu den Männern an
den Tisch gesetzt hatte. Überdies war er nicht wenig erstaunt.
Bisher war er der Meinung gewesen, dass Björn der einzige
Mann auf der Insel war, der nicht darauf brannte, in den Krieg
zu ziehen … dem Eindruck zum Trotz, den er bei ihrem ersten
Zusammentreffen auf der Eisinsel von dem jungen Nordmann
gewonnen hatte.
»Das mag sein«, antwortete er vorsichtig. »Dennoch gibt es
keinen Grund, überhastet aufzubrechen.«
»Und keinen, auch nur einen einzigen weiteren Tag zu verschwenden«, antwortete Thure anstelle seines Bruders. »Das
Heer steht bereit. Die Männer brennen darauf, in den Kampf zu
ziehen, und unsere Vorräte sind begrenzt. Die Schiffe sind mit
Wasser und Lebensmitteln beladen, aber wir wissen nicht, wie
lange wir unterwegs sein werden. Vielleicht nur wenige Tage,
vielleicht auch viele Wochen. Jeder Tag, den die Flotte untätig
im Hafen liegt, ist vielleicht ein Tag, an dem die Männer
hungern müssen, sollten wir keine Gelegenheit finden, unsere
Vorräte aufzufrischen.«
Das alles hatte Andrej ebenfalls bedacht, und natürlich hatte
Thure mit jedem Wort recht. Aber er war unentschlossen, ohne
zu wissen, warum. Ganz gewiss war es nicht die Angst vor dem
Kampf. Dazu war er schon in zu viele Schlachten gezogen, und
mehr als eine war ihm aussichtsloser erschienen als die, die
ihnen jetzt bevorstand. Und trotzdem. Irgendetwas war dieses
Mal anders.
»Es wird allmählich Zeit für deine Gebete, Andrej.«
Andrej starrte Urd genauso verblüfft an wie alle anderen auch,
aber sie nickte nur bekräftigend und fuhr leicht tadelnd fort:
»Abu Dun hat mir extra aufgetragen, dich daran zu erinnern. Er
ist schon vorausgegangen, um alles vorzubereiten.«
»Aha«, sagte Andrej. Dann begriff er und stand auf.
» Gebete? « , wunderte sich Thure. »Hast du nicht gesagt, dass
du nicht an die Götter glaubst?«
»Das ist wahr«, antwortete Andrej und schob den
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