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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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großes Herz, wie man es behauptet,
Abu Dun«, erwiderte Odin, schüttelte aber auch rasch den Kopf,
als der Nubier etwas darauf sagen wollte. »Und ich hoffe, du
bist auch so klug, wie man es behauptet.«
»Klug genug immerhin«, antwortete Abu Dun, »um mich nicht
von ein bisschen Hokuspokus und ein paar geschliffenen Worten
beeindrucken zu lassen. Wer bist du? Was willst du von uns?«
Andrej machte eine besänftigende Geste, und der monströse
Schatten hinter Odin bewegte sich leicht. Etwas wie ein modriger Geruch wehte aus dem Wald heraus und verschwand dann
wieder. »Nicht, Abu Dun«, sagte er.
Odin schien nichts dagegen zu haben, also machte er einen
weiteren vorsichtigen Schritt, dann noch einen und ließ sich
schließlich neben Urd in die Hocke sinken. Ihr Gesicht war sehr
blass, und das kalte Licht der Sterne und des nahezu zur Gänze
gerundeten Mondes überzog es mit einer Schicht aus glitzerndem Silber und schien ihm so auch noch das letzte bisschen
Leben zu nehmen. Aber als er die Hand ausstreckte und ihren
Hals berührte, spürte er das ruhige Schlagen ihres Herzens.
»Keine Angst, Andrej«, sagte Odin. Andrej war ihm jetzt so
nahe, dass er ihn mit dem ausgestreckten Arm berühren konnte.
Eine blitzartige Bewegung, ein Sprung, der selbst für die
übermenschlich schnellen Reflexe des Unsterblichen zu viel sein
musste … Er schüttelte den Gedanken ab, und Odin fuhr fort:
»Ich habe ihr nichts getan. Und sie ist sehr stark.« Das schien
ihn beinahe zu amüsieren, denn er lächelte plötzlich und sah
Andrej erwartungsvoll an. Als er keine Antwort bekam, wurde
sein Blick noch spöttischer. »Ist dir denn wirklich nie etwas an
ihr aufgefallen, Unsterblicher?«
Andrej blickte ihn einen Moment lang verständnislos an, sah
dann wieder auf Urd hinab und dann noch einmal in Odins
Gesicht, und schließlich erhob er sich wieder und trat einen
halben Schritt zurück. Seine Hand umfasste den Schwertgriff
fester. »Du willst nicht sagen, dass –«
»Sie könnte eine von uns werden«, unterbrach ihn Odin.
»Noch ist sie eine Sterbliche, aber die Frauen in ihrer Familie
waren schon immer etwas Besonderes.«
»Du meinst, sie … könnte so werden wie wir?«, murmelte
Andrej. Warum erstaunte ihn das? Er hatte Skuld kennengelernt,
und die alte Werdandi, und auch wenn er das Gefühl damals
vielleicht nicht richtig gedeutet hatte, so hatte er doch sofort
gespürt, dass irgendetwas an diesen beiden Frauen nicht so war
wie an allen anderen. Trotzdem fuhr er fort: »Aber sie ist eine
Sterbliche!«
»Das warst du auch einmal, wenn ich mich richtig erinnere«,
antwortete Odin amüsiert und fügte mit einem Seitenblick auf
Abu Dun hinzu: »Genau wie du.«
»Was soll das heißen?«, fragte Abu Dun.
»Unser Erbe ist stark in manchen Sterblichen«, antwortete
Odin. »Nicht in allen. Nur in sehr wenigen, um genau zu sein.
Aber manche haben die Kraft, den nächsten Schritt zu tun.«
Etwas … veränderte sich in seinem Blick, als er sich wieder
ganz zu Andrej herumdrehte. Er wirkte weicher. »Du liebst
dieses Mädchen. Du bist immer noch zu stolz, um es dir
einzugestehen, und du glaubst immer noch, dass es ein verbotenes Gefühl ist.«
Andrej schwieg. Las der Unsterbliche seine Gedanken? Und
wenn ja, warum quälte er ihn so?
»Du glaubst, dass dein Herz einer anderen gehört. Und du
denkst, dass du sie betrügen würdest, wenn du dich deinen
wahren Gefühlen hingibst. Aber das ist nicht wahr.« Er schien
auf eine Antwort zu warten. Andrej schwieg weiter. »Es ist nicht
unsere Art, Andrej, solche Dinge zu tun. Wir mischen uns nicht
in die Leben der Sterblichen ein, und auch nicht in die Euren.
Aber ich beobachte dich nun schon so lange, und du tust mir
leid. Deshalb werde ich dir sagen, was mit deiner ersten großen
Liebe geschehen ist.«
»Sie ist tot«, flüsterte Andrej. Die Worte schienen sich ihren
Weg durch seine Kehle wie zerbrochenes Glas zu schneiden und
hinterließen nichts als Schmerz.
»Ja«, bestätigte Odin. »Sie starb kaum eine Stunde, nachdem
ihr euch das letzte Mal gesehen habt. Aber das letzte Wort, das
über ihre Lippen kam, war dein Name.«
»Hör auf«, murmelte Andrej. »Ich … ich will das nicht hören.
Du lügst.«
»Du weißt, dass ich die Wahrheit sage«, antwortete Odin sanft.
»Du hast jetzt lange genug um sie getrauert. Glaubst du, sie
hätte gewollt, dass du dein Herz für die nächsten tausend Jahre
in Stein verwandelst? Wenn du glaubst, dass sie

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