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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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irgendetwas getan, das lautlos und schnell ging und Andrejs Begreifen
überstieg. Kurz darauf hatte er gespürt, wie das erlöschende
Leben in den Körper seines Freundes zurückkehrte. Dennoch
hatte es noch lange gedauert, bis Abu Dun endlich die Augen
aufschlug, und noch sehr viel länger, bis er die Kraft fand, sich
aufzurichten und den zerfetzten Mantel notdürftig um sich zu
wickeln.
    Ein neuer, kurzer Tag dämmerte bereits herauf, als sie am
Fuße des Berges wieder ins Freie traten, und Odin hatte noch
eine weitere Überraschung für sie bereitgehalten; unzweifelhaft
angenehm anzusehen, und doch war sich Andrej nicht sicher, ob
er sich freuen sollte. Es war die letzte seiner Valkyries, die sie
zurück zum Strand begleiten würde, um dafür Sorge zu tragen,
dass sie nicht von den Piraten angegriffen wurden oder in irgend
eine andere Gefahr gerieten.
    Darüber hinaus hatte er ihnen drei Pferde bereitstellen lassen,
nicht die Art, wie Andrej sie kannte – kraftvolle Araberhengste
oder die ebenso starken wie ausdauernden Schlachtrösser aus
belgischer oder deutscher Zucht-, sondern das genaue Gegenteil:
kleine, zähe Ponys mit kurzen Beinen und einem dicken Fell,
das sie ein bisschen wie zu groß geratene Schafe aussehen ließ,
vermutlich aber ausgezeichneten Schutz vor der Kälte bot. Vor
allem Abu Dun hatte nicht mit bissigen Bemerkungen gegeizt,
und nachdem er endlich (unter lautstarkem Protest) in den Sattel
gestiegen war, konnte Andrej ihn sogar verstehen, denn Abu
Dun bot einen lächerlichen Anblick. Seine Füße reichten fast bis
auf den Boden hinunter, und das arme Tier sah aus, als müsse es
spätestens nach einem Dutzend Schritte unter seinem Gewicht
einfach mittendurch brechen. Aber das war nicht geschehen, und
sie waren ohne ein weiteres Wort des Abschieds aufgebrochen.
    Und jetzt waren sie hier, und Abu Dun, der seine Überraschung um eine Winzigkeit schneller überwunden hatte als
Andrej, riss die Augen auf und sprach wortwörtlich das aus, was
Andrej im gleichen Moment dachte: »Also wenn das keine
Zauberei ist …!«
    »Ich glaube nicht an Zauberei«, antwortete Andrej und kam
sich dabei ungefähr so lächerlich vor, wie Abu Dun auf seinem
hundegroßen Reittier aussah.
    »Natürlich nicht, Hexenmeister«, versetzte Abu Dun spöttisch.
»Und ich bin auch sicher, dass du gleich eine Erklärung parat
hast, die sogar ein dummer kleiner Mohr wie ich versteht.«
    »Du bist nicht klein«, antwortete Andrej unweigerlich, zog es
aber vor, den Rest von Abu Duns Worten geflissentlich zu
überhören. Es hätte ihn womöglich in Verlegenheit gebracht,
eine Erklärung dafür zu finden, dass sie ihre Ponys aus dem
erstarrten Wald herauslenkten und der Strand vor ihnen lag,
ohne dass sie die Steilwand oder die dahinterliegende Eisebene
auch nur gesehen hatten. Das konnte nicht mit rechten Dingen
zugehen.
    Aber er blieb dabei: Er glaubte nicht an Zauberei, basta.
Auch wenn er sie gerade erlebte.
Als hätte er Andrejs Gedanken gelesen, grinste Abu Dun
plötzlich über das ganze Gesicht und nickte dann nach vorne, zu
ihrer schweigsamen Führerin. Die Valkyrie hatte kein einziges
Wort gesprochen, weder bevor, noch nachdem sie aufgebrochen
waren, und selbst auf die wenigen direkten Fragen, die Andrej
und Abu Dun an sie gerichtet hatten, nur mit einem stummen
Nicken oder Kopfschütteln geantwortet. Andrej bezweifelte
mittlerweile, dass sie überhaupt reden konnte.
    Jetzt stieg sie mit einer geschmeidigen Bewegung vom Rücken
ihres Ponys, löste einen länglichen, in braunes Tuch eingewickelten Gegenstand vom Sattelgurt und kam die wenigen
Schritte zu ihnen zurück.
    »Von hier aus müsst ihr zu Fuß weiter. Die Pferde können hier
draußen nicht existieren.« Überrascht stellte Andrej fest, dass sie
nicht nur reden konnte, sondern auch eine dunkle und dennoch
sehr weibliche Stimme hatte, die ihn auf eine Weise berührte,
die ihn verunsicherte.
    »Wir sollen zu Fuß weitergehen?«, ächzte Abu Dun mit gespieltem Entsetzen. »Das ganze Stück? Ich bin ein Invalide, der
von Rechts wegen ins Bett gehört, vorzugsweise in Gesellschaft
von –«
    Nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, schien die
Valkyrie wohl ihr Gehör verloren zu haben, denn sie beachtete
Abu Dun nicht einmal, sondern fuhr, an Andrej gewandt fort:
»Mein Herr lässt Euch seinen Dank ausrichten und sein großes
Bedauern, dass Ihr ohne Euer Verschulden in einen Kampf
hineingezogen worden seid,

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