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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf, fuhr mit der Handfläche über
die gewaltige Klinge, um Abu Duns Blut abzuwischen, und
bewegte dann die Schultern, wie ein Mann, der zu lange in einer
unbequemen Haltung geschlafen hatte und sich nur räkeln
musste, damit seine Muskeln wieder geschmeidig wurden. Ein
dünnes, durch und durch böses Lächeln erschien auf seinem
Gesicht, während er endgültig die Maske fallen ließ und Andrej
begriff, wem er tatsächlich gegenüberstand.
»Ich hätte auf Abu Dun hören sollen«, sagte Andrej. »Er hat
mich gewarnt, dass ihr euch tarnen könnt.«
»In der Tat«, antwortete Loki lächelnd. »Das hättest du. Aber
wo wir schon über deinen Freund reden – er ist noch am Leben.
Möchtest du, dass das so bleibt, oder soll ich euch beide töten?«
»Tust du das denn nicht ohnehin?«, fragte Andrej bitter. Das
Schwert in seiner Faust, die er noch immer hinter dem Rücken
hielt, schien zu zittern wie ein ausgehungertes Raubtier, das an
seiner Kette zerrte. Andrej versuchte, das zu ignorieren, was er
tief in seiner Seele spürte, aber er konnte es nicht. Was immer
dieses Schwert war, es ähnelte dem Ungeheuer in ihm selbst,
aber es war älter, mächtiger und erbarmungsloser.
»Das liegt ganz bei dir, kleiner Vampyr«, erklärte Loki lä
chelnd. Endlich hörte er auf, seine Axt zu wienern, und deutete
mit einer beiläufigen Geste auf Odin. »Töte ihn, und ich lasse
euch beide am Leben.«
»Und warum sollte ich dir glauben?«, fragte Andrej.
Loki zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Warum sollte ich
dich belügen?«, erwiderte er. »Ihr habt euch bisher als nützlich
erwiesen, und wer weiß, vielleicht brauche ich euch später noch
einmal.« Sein Lächeln erlosch schlagartig und machte derselben
gnadenlosen Härte Platz, die Andrej auch in der Seele des
uralten Unsterblichen spürte. »Töte ihn!«
»Was ist mit dem richtigen Thure passiert?«, fragte Andrej,
ohne sich von der Stelle zu rühren. »Falls es ihn jemals gegeben
hat.«
»Oh, es hat ihn gegeben«, antwortete Loki, und wieder erschien das böse, gierige Lächeln auf seinen Lippen, ein Lächeln,
das seine Augen unberührt ließ. »Er war ein tapferer Mann, aber
auch ein schrecklicher Dummkopf. Er hätte auf seinen Vater
hören sollen. Zu seinem Pech und meinem Glück hat er es nicht
getan. Ich habe euch nicht mit einem Wort belogen, kleiner
Vampyr. Er war tatsächlich hier.«
»Und du bist an seiner Stelle zurückgekehrt«, vermutete
Andrej. Thure – Loki – seufzte nur und betrachtete interessiert
seine Axt, als frage er sich, in welchem Winkel er sie wohl am
besten in Andrejs Schädel versenken solle, und Andrej fuhr fort:
»Und ich dachte, dass ihr einander nicht tötet.«
»Das können wir nicht«, sagte Odin.
Loki nickte. Er sah beinahe traurig aus. »Ja, das ist die Wahrheit«, fügte er hinzu. »Aber wir können es andere für uns tun
lassen.« Sein Blick ging an Andrej vorbei und suchte den Odins.
»Oder hast du wirklich geglaubt, du wärst sicher vor mir,
Vater? «
Das Schwert in Andrejs Hand zitterte jetzt so heftig, dass er
Mühe hatte, es zu halten. Seine Gier wühlte mit glühenden
Krallen am Grunde seines Seins, hundertmal schlimmer, als es
das Ungeheuer in ihm jemals gekonnt hatte.
»Und jetzt genug geredet«, fuhr Loki fort, wieder an Andrej
gewandt. Auch die letzte Spur eines Lächelns war von seinem
Gesicht verschwunden. »Töte ihn, oder ich töte euch. Zuerst
deinen Freund und dann dich. Es ist deine Entscheidung.«
»Ja«, seufzte Andrej. »Das ist es wohl.« Und damit nahm er
die Hand hinter dem Rücken hervor, und Lokis Augen wurden
groß und schwarz vor Schrecken, als er Gunjir erkannte.
Andrej ließ ihm genug Zeit, um seinen Fehler zu begreifen,
aber nicht einmal annähernd genug, um noch zu handeln, bevor
er ihm die Klinge ins Herz stieß.

EPILOG
    So anstrengend und furchtbar der Marsch über das Eis hierher
gewesen war, so unheimlich und bizarr kam ihm der Rückweg
zum Strand vor.
    Als es Tag wurde, hatten sie den Berg auf einem anderen,
sowohl schnelleren als auch deutlich ungefährlicheren Weg
verlassen. Andrej konnte sich beim besten Willen nicht erinnern,
Abu Dun jemals so schwer verwundet gesehen zu haben. Die
gewaltige Streitaxt hatte seinen Körper beinahe gespalten, und
die Verletzung war schlimmer gewesen als alles, was Abu Dun
jemals überstanden hatte, und Andrej war sogar sicher, dass er
gestorben wäre, hätte Odin ihm nicht geholfen. Der einäugige
Gott hatte Abu Dun die Hand auf die Stirn gelegt und

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