Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Krieger sichtlich verwirrt und
schien nicht zu wissen, auf welche der beiden Fragen er zuerst
antworten sollte. Dann entschied er sich (vermutlich aus
Gründen, die etwas mit Größe, Masse und einem finsteren
Gesichtsausdruck zu tun hatten) für die Abu Duns. »Die Schiffe
sind ausgelaufen. Schon heute Morgen, gleich bei Sonnenaufgang.«
»Ausgelaufen!«, ächzte Abu Dun. »Ohne auf uns zu warten?«
»Was ist mit den Männern, die bei uns waren?«, fragte Andrej
rasch. »Und Urd?«
»Sie sind zurückgekehrt«, antwortete der Krieger, voller
Angst. »Schon vor zwei Tagen! Und Urd auch. Und wir haben auf euch gewartet! Aber unsere Vorräte sind begrenzt, und die
Männer waren müde und erschöpft vom Kampf. Urd hat darauf
bestanden, auf euch zu warten, und wir haben es getan, solange
es ging.«
»Zwei Tage?«, vergewisserte sich Abu Dun.
Ȇber die hinaus, die Thure uns ohnehin zu warten befohlen
hat«, bestätigte der Krieger.
Was dann alles in allem vier Tage bedeutete, dachte Andrej
verwirrt. Großer Gott, wie lange waren sie in diesem unheimlichen Berg gewesen?
    »Urd wollte noch länger warten, aber Thure ist es schließlich
zu viel geworden, und die Flotte ist bei Tagesanbruch ausgelaufen«, fuhr der Krieger fort. »Aber Urd ist hiergeblieben, um auf
euch zu warten. Sie ist auf der Fenrir. «
    »Ja«, seufzte Andrej, »das sieht ihr … Moment mal! Sagtest
du Thure? «
»Thure war hier?«, murmelte Abu Dun ungläubig.
»Er kam kurz nach den anderen«, bestätigte der Mann. »Er hat
berichtet, dass ihr im Kampf verschollen wärt und wahrscheinlich nicht mehr am Leben, aber Urd hat darauf bestanden, dass
wir warten. Bis heute Morgen. Da hat Thure den Befehl gegeben, Segel zu setzen und abzulegen.«
»Und ihr habt ihm gehorcht?«, fragte Abu Dun.
»Er ist unser Herr«, antwortete der Mann verwirrt.
»Er ist –«, schnaubte Abu Dun, aber Andrej unterbrach ihn mit
einer raschen Geste.
»Urd ist hier, sagst du?«
»Auf der Fenrir « , bestätigte der Mann. »Sie ist in ihrem … eurem Zelt.«
Andrej sah zu dem niedrigen, rot-weiß gestreiften Zelt im
Heck des Drachenbootes hin, aber dort rührte sich nichts. Eine
Handvoll Männer war aufgestanden und hinter die halbhohe
Schildreling getreten, um neugierig zu ihnen herüberzusehen,
aber von Urd war keine Spur zu entdecken.
»Sie schläft, Herr«, sagte der Krieger rasch. Vielleicht auch
nervös. »Sie hat die ganze Nacht gewacht und auf dich gewartet,
genau wie in den Nächten zuvor. Thure hat uns verboten, sie zu
wecken.«
»Thure?«, wiederholte Andrej alarmiert.
Der Mann nickte. »Er war heute Morgen bei ihr, bevor die
Schiffe ausgelaufen sind, und –«
Andrej hörte gar nicht mehr hin, sondern stürmte los. Mit
weniger als einem Dutzend Schritten erreichte er den Strand,
stürmte durch das aufspritzende Wasser, ohne die eisige Kälte
auch nur zu fühlen, und flankte mit einem einzigen Satz über
den Schildwall. Abu Dun folgte ihm auf dieselbe Weise, wenn
auch deutlich weniger elegant, sodass es einem oder zwei
Männern nicht mehr rechtzeitig gelang, ihm Platz zu machen,
und Andrej registrierte aus den Augenwinkeln, dass er sie
kurzerhand über den Haufen rannte, achtete aber nicht einmal
darauf, sondern stürmte nur noch schneller weiter und fiel in das
winzige Zelt und neben Urd auf die Knie. Urd schlief tatsächlich, genau wie der Mann behauptet hatte, und es musste wohl
ein sehr tiefer Schlaf sein, denn sie wachte nicht auf.
Und vielleicht war dieser Schlaf auch zu tief …
»Urd?«, sagte Andrej.
Er bekam keine Antwort. Urd lag auf der Seite, nur unzulänglich mit demselben Mantel zugedeckt, den sie auch im Wald
getragen hatte, mit angezogenen Knien, und die aufeinandergelegten Hände unter das Gesicht geschoben, um dem Boden
etwas von seiner Härte zu nehmen. Sie war sehr blass, was aber
auch an der Kälte liegen mochte, die so mühelos durch die
dünne Zeltplane kroch, als wäre sie gar nicht vorhanden, und bot
trotz allem einen so friedlichen Anblick, dass er es kaum wagte,
die Hand auszustrecken und sie an der Schulter zu berühren, aus
Angst, ihren Schlaf zu stören.
Aber unter diesem Frieden kroch auch etwas anderes heran,
etwas Düsteres und so Schreckliches, dass er sich im ersten
Moment weigerte, es zur Kenntnis zu nehmen.
Etwas, das nicht sein durfte.
Er flüsterte noch einmal ihren Namen und bekam auch jetzt
keine Antwort, und als er ihre Schulter berührte, war sie kalt und
so leblos wie das Eis, das

Weitere Kostenlose Bücher