Das Daemonenschiff
gewaltigen Kriegern an unserer Seite können wir sie besiegen.
Wir können diesen Fluch ein für alle Mal brechen!«
»Oder ihn schlimmer machen, als er je war«, fügte Harald
hinzu. Er schüttelte den Kopf. »An manche Dinge sollte man
nicht rühren.«
»Eines Tages werden sie zu uns kommen und uns alle töten«,
versetzte Thure. »Wir haben den Nagelfahr gesehen. Er hat unseren Weg gekreuzt. Und er war nahe. Näher als je zuvor.«
Andrej wurde hellhörig. Auch dieses Mal wirkte das Wort wie
ein kalter Schleier, unheimlich und drückend, der sich über die
Runde legte. Das Schweigen, das sich am Tisch ausbreitete,
erstickte alle Geräusche. Er dachte an den Schatten, das riesige,
finstere Ding, das der Nebel so plötzlich ausgespien und ebenso
schnell und lautlos wieder verschlungen hatte.
»Ja, deine Brüder haben mir davon berichtet«, sagte Harald. Er
wirkte besorgt. »Ein Grund mehr, das Schicksal nicht herauszufordern. Vielleicht ist sein Auftauchen ja eine Warnung, die wir
besser beherzigen sollten.«
»Oder wir –«, begann Thure wütend.
»Verzeiht, wenn ich mich einmische«, unterbrach ihn Andrej,
indem er sich direkt an Harald wandte. »Aber es ist nicht so,
dass wir uns schon handelseinig wären, und –«
»– und das werden wir auch nicht, Andrej Delãny«, fiel ihm
Harald ins Wort. Er wirkte aufgebracht und zornig, aber Andrej
spürte, dieser Zorn galt nicht ihm. »Es tut mir leid, wenn mein
Sohn falsche Hoffnungen in dir und deinem Freund geweckt hat,
aber wir brauchen eure Hilfe nicht. Ich bin dir dankbar, dass du
das Leben meines Sohnes gerettet hast, und es soll euch vergolten werden. Doch wir brauchen eure Schwerter nicht. Unsere
Krieger sind genug, um für die Sicherheit unseres Volkes zu garantieren.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt, Vater«, sagte Thure. Er warf
seinem Bruder einen Beistand heischenden Blick zu, doch Björn
sah beschämt zu Boden, und Thure fuhr mit mühsam beherrschter Stimme fort: »Seit wie vielen Jahren lebt unser Volk in
Furcht vor ihnen? Seit hundert, oder mehr? Wie viele müssen
noch sterben, bis wir endlich anfangen, uns zu wehren?«
»Gegen das Schicksal kannst du dich nicht wehren, mein
Sohn«, sagte Harald sanft. »Und du kannst die Götter nicht mit
dem Schwert besiegen.«
»Lasse und seine Familie sind tot!«, beharrte Thure. »Soll ihr
Tod wirklich umsonst gewesen sein?«
Ein Schatten huschte über das Gesicht des alten Königs, als
Thure den toten Sohn erwähnte, doch er schüttelte auch jetzt nur
sacht und tieftraurig den Kopf. »Er hätte niemals dorthin fahren
dürfen«, antwortete er. »Ich habe ihn gewarnt. Wir alle haben
ihn gewarnt, auch du. Er wusste, was geschehen würde.«
»Er wusste es nicht!«, beharrte Thure trotzig. In seiner Stimme
war ein Vorwurf, dessen Grund Andrej verborgen blieb. Den
alten Mann aber traf er tief, das konnte er an seiner betroffenen
Miene erkennen. »Er war jung und dumm. So viele sind vor ihm
gestorben, –«
» Genug! « Harald schlug mit seiner schmalen Hand kraftlos
auf den Tisch, wie ein anderer es vielleicht mit der Faust getan
hätte. Das Geräusch war kaum hörbar, doch die Wirkung war
beeindruckend. Augenblicklich kehrte Stille ein. Eine sehr ungute Stille. Erschrocken blickten die Männer ihren greisen König an in Erwartung eines Machtwortes, das dem Wortgefecht
ein Ende setzen würde. Nur Björn starrte weiter zu Boden, als
ginge ihn das alles nichts an.
»Genug«, sagte Harald noch einmal. »Ich will dieses Gespräch
nicht führen. Weder jetzt noch irgendwann.«
»Aber –«, versuchte es Thure noch einmal.
»Du wirst deinem Vater gehorchen«, unterbrach ihn Harald
eisig. »Und wenn nicht ihm, dann deinem König.«
Thure starrte ihn einen Herzschlag lang wütend an. Er presste
die Kiefer so fest aufeinander, dass man seine Zähne knirschen
hören konnte, und für einen winzigen Augenblick war Andrej
überzeugt, dass er sich auf seinen Vater stürzen würde. Er
spannte sich und spürte, dass er nicht der einzige war … aber
dann sprang Thure so heftig auf, dass sein Stuhl umfiel, und
stürmte ohne ein weiteres Wort davon. Andrej sah ihm besorgt
nach, und auch Björn hob endlich den Kopf und starrte seinem
Bruder hinterher. Ein seltsamer Ausdruck erschien auf seinem
Gesicht; Sorge und Mitgefühl mischten sich mit Furcht, das war
unübersehbar.
»Bitte verzeih, Andrej«, sagte Harald. »Mein Sohn ist jung
und ungestüm. Aber es ist wohl auch das Vorrecht der
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