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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es sich nur um ein nervöses Leiden handelte,
denn an seiner Wange zuckte ein Nerv. »Du hast nicht übertrieben, als du von ihnen erzählt hast«, sagte er. »Das scheinen mir
wirklich tapfere Männer zu sein.«
»Das sind sie, Vater«, antwortete Thure. Er hatte neben dem
hölzernen Thron seines Vaters Aufstellung genommen und sah
auf Andrejs Hand hinab. Und sie sind noch viel mehr.
»Dann lasst uns ein großes Fest zu ihren Ehren feiern«, sagte
Harald. »Niemand soll mir nachsagen, ich hätte denen nicht die
gebührende Ehre erwiesen, die mir meine Söhne zurückgebracht
haben.« Er versuchte aufzustehen, doch es gelang ihm erst, als
Thure die Hand ausstreckte und ihn stützte.
Langsam, um sich dem Tempo des alten Mannes anzupassen,
gingen sie zum anderen Ende des großen Raumes. Als sie fast
angekommen waren, entzündeten einige Frauen Fackeln und
eine Anzahl kleiner Öllampen, sodass Andrej erst jetzt die reich
gedeckte Tafel sehen konnte, die dort bereits auf sie wartete. An
ihrem Kopfende erhob sich ein Stuhl mit einer geschnitzten
Lehne, der fast so eindrucksvoll war wie der Thron, auf dem
Harald sie begrüßt hatte. Der greise König nahm darauf Platz,
und Thure setzte sich zu seiner Rechten. Der Stuhl auf der
anderen Seite blieb leer.
Allerdings nur für einen Augenblick.
Andrej riss ungläubig die Augen auf, als er den blonden Hünen sah, der an den Tisch trat.
»Björn?«, rief er. Abu Dun sagte nichts, aber auch er sah
ehrlich erschüttert aus.
Es war tatsächlich Björn, so unglaublich es ihm auch vorkommen mochte. Sein Gesicht war eingefallen und grau wie
nach einer langen, schweren Krankheit, und seine Augen
wirkten trüb. Er trug den rechten Arm in einer Schlinge, und als
einziger Mann im Raum kein Schwert am Gürtel – wohl, um
sich nicht mit dem Gewicht zu belasten – und unter seinem
Wams war ein fest angelegter, sauberer Verband zu erkennen.
Er mochte nur noch ein Schatten des kraftstrotzenden Riesen
sein, den sie auf der Insel kennengelernt hatten, aber er lebte.
Selbst Andrej hätte vielleicht Tage gebraucht, um mit der
schrecklichen Wunde fertig zu werden, die ihm die Streitaxt
geschlagen hatte.
»Ich habe dir doch gesagt, Björn ist stark«, sagte Thure, der
sich ganz unverhohlen über ihre fassungslosen Gesichter
amüsierte.
»Und mein Bruder kennt sich gut mit Heilkräutern aus«, fügte
Björn hinzu. »Ohne ihn wäre ich wohl nicht mehr am Leben.
Aber ohne euch auch nicht. Thure hat mir erzählt, was du getan
hast. Ich danke dir dafür.«
»Ja, ja, und nun setzt euch«, mischte sich Harald ungeduldig
ein. Er klatschte in die Hände. »Setzt euch, alle. Und bringt
Fleisch und Met für unsere Gäste, und Musik!«
Während Andrej und Abu Dun – verwirrt – Platz nahmen, trug
ein halbes Dutzend Frauen (zu Andrejs Enttäuschung war Urd
nicht unter ihnen) Schalen voller Fleisch, Obst, Brot und Gemüse
auf. Die Musik, nach der Harald verlangt hatte, kam nicht, aber er
wiederholte seinen Befehl auch nicht. Stattdessen wandte er sich
mit seiner mühevoll fistelnden Stimme direkt an Andrej.
»Man hat mir berichtet, ihr hättet Schiffbruch auf der Insel
erlitten.«
»Der Sturm«, bestätigte Abu Dun, und Andrej fügte hinzu:
»Und die Strömung, von der wir nicht wussten.«
»Ihr habt Glück, dass ihr noch am Leben seid. Diese Insel gibt
kaum einen wieder frei, den sie einmal hat. Hat euch denn
niemand vorher gewarnt?«
»Es lag nicht in unserer Absicht, sie anzulaufen«, erwiderte
Andrej. »Um ehrlich zu sein, sind wir … ein wenig vom Weg
abgekommen. Abu Dun hier ist in seiner Heimat als guter
Seemann bekannt, aber diese Gewässer hier sind tückisch.«
»Vor allem, wenn man mit einem Schiff wie dem euren unterwegs ist«, bestätigte Harald geheimnisvoll. »Ist es wahr, dass
es die Fenrir ist?«
»Man hat uns gesagt, dieses Schiff trüge diesen Namen«,
antwortete Andrej ausweichend, »aber –«
»Aber es heißt doch, die Fenrir wäre ein Schiff voller blutgieriger Wolfsmenschen, die die Küsten im Norden plündern und
die Bewohner der Städte in Angst und Schrecken versetzen«,
unterbrach ihn Harald. »Ihr seht mir nicht aus wie Wolfsmenschen. Auch«, fügte er mit einem Seitenblick auf Abu Dun
hinzu, »wenn ich jemanden wie deinen Freund da noch nie
gesehen habe.«
Andrej wäre es lieber gewesen, wenn Harald nicht über Abu Dun
gesprochen hätte, als wäre er nicht anwesend. Aber er schüttelte nur
den Kopf. »Es gibt keine Wolfsmenschen,

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