Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
mit Speer, Schild und Fackeln, bildeten den
Abschluss des kleinen Trauerzuges.
Thure und sein Bruder begannen ein Lied in einer fremden,
Andrej unbekannten Sprache anzustimmen, in das rasch die
gesamte Menge einfiel, und auch das Horn ertönte wieder mit
seinem düsteren Klagen. Eine Trommel schlug, langsam und im
Takt der Schritte der Männer, die den Schild mit Haralds
Leichnam trugen.
Abu Dun berührte Andrej verstohlen am Arm und nickte kaum
merklich zu Thure hin. Im ersten Moment verstand Andrej nicht,
worauf ihn der Nubier aufmerksam machen wollte, aber dann
sah er es: Wie jeder andere Mann hier war auch Thure in Helm,
voller Rüstung und Waffen erschienen, doch er trug nicht nur
Schild, Speer und seine geliebte Streitaxt. Über seinen Schultern
ragte der Griff eines mannslangen Schwertes auf; die Riesenklinge, an der er am ersten Tag zusammen mit Abu Dun
geschmiedet hatte. Andrej wunderte sich zwar, beließ es aber bei
einem angedeuteten Achselzucken. Zwar verstand er Thures
Beweggründe seit ihrem Gespräch in der Schmiede besser.
Trotzdem hielt er ihn auch für einen Prahlhans.
Die Krieger näherten sich dem Scheiterhaufen, während sich
die Menge respektvoll vor ihnen teilte, um sie passieren zu
lassen. Alle bis auf einen löschten ihre Fackeln, und der letzte
Mann übergab die seine an Björn, bevor sie dem ölgetränkten
Scheiterhaufen gefährlich nahe kommen konnte. Die Zuschauer
wichen vorsichtshalber ein paar Schritte zurück, obwohl der
Raum auf dem hoffnungslos überfüllten Dorfplatz jetzt schon
kaum ausreichte, um so viele Menschen aufzunehmen. Der
Gesang wurde lauter, und das Schlagen der Trommeln schneller,
und auch die Totenträger beschleunigten ihre Schritte, bis sie
den Scheiterhaufen erreicht hatten. Behutsam luden die Männer
den Schild mit dem toten König auf dem Holzstapel ab und
zogen sich rasch zurück, der Gesang wurde noch einmal lauter,
und auch der Takt des Trommelschlages nahm noch einmal zu.
Abu Dun griff erneut seinen Arm, doch diesmal war sein Blick
auf den geschnitzten Firstbalken des Langhauses gerichtet.
Dort hockte der riesige Rabe, der aus Augen voller boshaft
funkelnder Intelligenz auf sie herabsah.
»Lass es dir nicht anmerken«, raunte er auf Arabisch.
Das hatte Andrej nicht vorgehabt, aber er behielt das Tier
dennoch aufmerksam im Auge, während er so tat, als beobachte
er weiter die Totenfeier, die sich allmählich ihrem Höhepunkt zu
nähern schien. Der Gesang war schon lange nicht mehr monoton
und düster, sondern schnell und aufpeitschend geworden, und
der Takt der Trommelschläge wurde immer wilder. Die Krieger
begannen jetzt im gleichen Rhythmus abwechselnd mit dem Fuß
aufzustampfen und ihren Speer an den Schild zu schlagen. Der
Lärm, die Bewegung und die vielen Menschen hätten den Raben
längst verscheuchen müssen, aber das Tier saß weiter reglos da
und starrte sie an. Es war unheimlich … anders konnte Andrej
die Wirkung, die das sonderbare Verhalten des Tieres auf ihn
hatte, nicht beschreiben.
Als der hämmernde Takt der Musik seinen Höhepunkt erreicht
hatte, trat Björn gemessenen Schrittes vor und senkte die Fackel
auf den Scheiterhaufen. Das ölgetränkte Holz fing mit einem
dunklen Wusch! Feuer. Grelles Licht und eine Woge erstickender Wärme ließen nicht nur den jungen König zurücktaumeln,
sondern die gesamte Menge erschauern und selbst Andrej
schloss für einen Moment geblendet die Augen. Der Gesang
hörte nicht auf, aber hier und da mischte sich ein erschrockener
Ausruf hinein, und Björn ließ die Fackel fallen und stolperte so
überrascht zurück, dass er wahrscheinlich gestürzt wäre, hätte
ihn sein Bruder nicht im letzten Moment an den Schultern
ergriffen und festgehalten. Anscheinend brannte das Feuer
weitaus heißer, als alle erwartet hatten.
Zumindest heiß genug, um sogar Andrejs scharfe Augen zu
täuschen. In dem gleißenden Licht schien der Leichnam des
toten Königs zu zucken und sich zu winden, als wäre tatsächlich
noch Leben in ihm, und einen halben Atemzug lang musste
Andrej gegen die hysterische Vorstellung ankämpfen, den Toten
im nächsten Moment aufstehen und sich rachsüchtig auf
diejenigen stürzen zu sehen, die ihn auf diesen Scheiterhaufen
gelegt und angezündet hatten.
Im nächsten Augenblick wurde seine Vision Wirklichkeit.
Nach der ersten, zischenden Stichflamme hätte das Feuer
wieder in sich zusammenfallen müssen, doch stattdessen stoben
plötzlich Funken in

Weitere Kostenlose Bücher