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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fort.
»Sie weiß, dass die Welt größer ist, als irgendein Mensch es sich
vorzustellen vermag. Und dass es Dinge darin gibt, von denen
bisher niemand gehört hat. Vielleicht gibt es eure Götter
irgendwo. Vielleicht nicht.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich
weiß es nicht. Und ich maße mir auch kein Urteil darüber an.
Wenn es sie gibt, dann sind es auf jeden Fall grausame Götter,
dass sie tatenlos zusehen, wie ihre Kinder vernichtet werden.«
»Tun eure Götter das denn nicht?«, wollte Thure wissen.
Andrej lächelte traurig. »Doch«, gestand er. »Und das ist der
Grund, aus dem ich auch nicht an sie glaube.« Er hielt Thures
Blick einen Moment lang fest und knüpfte dann an seine Worte
von zuvor an. »Dieser Mann, der sich selbst Odin nennt, ist
jedenfalls kein Gott. Nur jemand, der es liebt, mit dem Schicksal
ganzer Völker zu spielen.«
»Und du kannst ihn besiegen?«, fragte Thure. Andrej hätte es
nicht für möglich gehalten, aber Björn wurde noch blasser.
»Nein«, sagte er offen. »Nicht ich allein. Und auch nicht Abu
Dun und ich allein. Er ist stark. Aber vielleicht mit eurer Hilfe.«
»Schweigt«, flüsterte Björn. »Ich will das nicht hören. Ich will
nicht, dass –«
»– unser Volk zugrunde geht?«, fiel ihm Thure ins Wort, sanft
aber fest, sodass es Björn unmöglich war, etwas darauf zu
erwidern. »Dass wir ein weiteres Jahrhundert unter diesen
falschen Göttern leiden? Dass unsere Söhne und Töchter
weiterhin sterben, ohne dass es einen Grund dafür gibt?«
»Du willst den Göttern den Krieg erklären?«, flüsterte Björn
entsetzt.
»Nicht den Göttern, Björn«, antwortete sein Bruder. »Aber
einem falschen Gott.«
    Noch für diese Nacht hatte Thure ein großes Ting anberaumt
und eine Weile unbeholfen herumgedruckst, bis Andrej sich
schließlich erbarmt und von sich aus bemerkt hatte, Abu Dun
und er wären müde und bräuchten dringend ein wenig Ruhe;
und außerdem würden sie politische (oder gar religiöse) Streitgespräche ohnehin nicht interessieren.
    Thure war erleichtert genug, sich ihrer auf diese Weise entledigen zu können, um ihre angebliche Müdigkeit nicht in Zweifel
zu ziehen. Er hatte sie persönlich zur Tür begleitet (Andrej war
allerdings sicher, dass er das nicht aus Höflichkeit tat, sondern
um sich davon zu überzeugen, dass sie auch wirklich gingen und
nicht etwa draußen stehen blieben, um zu lauschen), aber sie
konnten hören, wie er sich auf der Stelle umwandte und lautstark mit seinem Bruder zu streiten begann, noch bevor er die
Tür ganz hinter ihnen geschlossen hatte.
    »Ich möchte jetzt nicht in der Haut seines Bruders stecken«,
griente Abu Dun, kaum dass sie sich umgewandt hatten und
losgegangen waren. Wieder sprach er lauter als notwendig und
in der Sprache der Nordmänner, wie um sicher zu gehen, dass
die beiden Wachen vor der Tür ihn auch verstanden. Dann
wechselte er übergangslos ins Arabische und machte ein ernstes
Gesicht. »Allerdings auch nicht in meiner eigenen, wenn die
Sache schiefgeht.«
    Andrej blickte fragend, und Abu Dun legte eine kleine, dramatische Pause ein, bevor er fortfuhr: »Hättest du das auch in einer
Kirche in deiner Heimat gewagt, oder in einer Moschee wie der
meinen?«
    »Bevor oder nachdem ich sie niedergebrannt hätte?«, erwiderte Andrej. Er lachte böse. »Außerdem war es keine Kirche, und
Thure ist kein Pfaffe.«
    »Du weißt recht gut, was ich meine, Hexenmeister«, beharrte
Abu Dun ernst. »Wäre es dir irgendwo anders auf der Welt in
den Sinn gekommen, die Menschen dazu anzustacheln, ihren
Göttern den Krieg zu erklären?«
    »Wenn ich mich richtig erinnere«, sagte Andrej, »dann war
das wohl eher Thures Idee.«
»He!«, sagte Abu Dun scharf.
Andrej machte ein reuiges Gesicht, und Abu Dun fuhr in
sanfterem Ton fort.
»Und ich dachte, du wärst es genauso leid wie ich, von einer
Meute Fackeln schwingender Barbaren verfolgt zu werden, die
mich ans Kreuz nageln oder lebendig verbrennen wollen, weil
ich den Namen ihres Gottes nicht mit der entsprechenden
Ehrerbietung genannt habe.«
»Das wird nicht geschehen«, antwortete Andrej, nicht so
überzeugt, wie ihm lieb gewesen wäre. Er sah sich demonstrativ
um und fügte mit einem ebenso wenig überzeugenden Lachen
hinzu: »Außerdem sehe ich hier keine Barbaren.«
»Nein, gewiss nicht«, spöttelte Abu Dun. »Nur zivilisierte
Menschen und prachtvolle Bauten. Wirklich, ich beginne
allmählich, um mein Augenlicht zu bangen, bei all

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