Das Dalai-Lama-Prinzip für Paare: Wie achtsame Liebe gelingt
unser Verstand hilft uns weiter. Die nüchterne Einsicht in Ursache und Wirkung erleichtert das Leben und macht die Welt verständlicher.
Wir alle wollen wachsen und reifen. Wir wollen nicht Sklaven unserer Bedürfnisse, Wünsche und Ängste sein. Und wir wollen auch nicht die Sklaven der Bedürfnisse, Wünsche und Ängste unseres Partners sein. Doch allzu oft glauben wir, keine Chance zu haben, unsere Einstellungen, Meinungen und Gewohnheiten zu ändern. »So bin ich eben«, heißt es dann. »Ich reagiere immer so.« »Das ist mein Charakter. Ich kann nicht anders.« Doch
unsere Persönlichkeit ist nicht fest zementiert. Es besteht die Chance, sich zu ändern, wenn man nur will. Man muss nicht sofort zurückschlagen, wenn man sich angegriffen fühlt; man muss nicht sofort schimpfen, wenn einem etwas nicht passt; man muss nicht sofort auf Rache sinnen, wenn man hintergangen wird. Auf ein grobes Wort muss man nicht ebenso grob antworten, und einer Ohrfeige muss man nicht mit der gleichen Gewalt begegnen. Es besteht immer die Möglichkeit, auch das Gegenteil zu tun.
Veränderung ist jederzeit möglich. Das ist eine zweite Tatsache, über die sich nachzudenken lohnt, wenn es um die Liebe geht.
Stefan Rieß
Mir wurde klar, dass die einzige Möglichkeit, meine wenig glückliche Vergangenheit hinter mir zu lassen, darin bestand, die Abfolge schlechter Gewohnheiten zu unterbrechen. Dazu gehört die Bereitschaft, auch in den unangenehmsten Situationen das Wissen über Ursache und Wirkung nicht auszuschalten, und so zwei Ziele zu erreichen: erstens Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und zweitens wahres Mitgefühl für den Partner und andere Menschen zu entwickeln, selbst dann, wenn das Verhalten dieser Menschen sich gegen unsere Bedürfnisse richtet.
Ich erkannte, dass mein früheres Leben, vor allem, was meine Beziehungen betraf, von – wie Buddha sie nennt – fünf Hauptfehlern geprägt war. Diese fünf Hauptfehler erweisen sich in Liebesdingen als besonders gefährlich, aber sie zeigen sich in allen sozialen Beziehungen – zu Freunden, Eltern, Kollegen oder Vorgesetzten und selbst im kurzen Austausch mit Menschen, die man gar nicht kennt. Alle unsere Beziehungen werden durch die fünf Hauptfehler in Mitleidenschaft gezogen (ab Seite 64). Und in der Regel treten sie nicht unabhängig voneinander auf, sondern oftmals herrscht ein diffuses Gemisch aus unterschiedlichen, ja widerstreitenden Gefühlen.
Beim Rückblick auf meine Beziehungen fiel mir auf, wie sehr ich doch dazu neigte, nach zwei Prinzipien zu handeln, die beide nicht gerade förderlich für eine gute Partnerschaft sind: Der erste Fehler war, die Schuld an bestimmten Problemen hauptsächlich bei meiner jeweiligen Partnerin zu suchen. »Hätte sie nicht dieses oder jenes gesagt, hätte ich sie nicht so heftig beschimpft.« »Hätte sie mir gleich die Wahrheit gesagt, dann wäre ich nicht fremdgegangen.« »Wäre sie nicht dauernd zu spät gekommen, hätte ich mich nicht so aufregen müssen.« »Wir hätten nicht gestritten, wenn sie nicht mit ihrem Exfreund ausgegangen wäre.« …
Der zweite Fehler war, dass ich mich bequem in der Beziehung einrichtete und Angst vor Veränderungen hatte.
Den Kreislauf gegenseitiger Schuldzuweisungen unterbrechen
Schuldzuweisungen bringen uns als Person und auch die Partnerschaft nicht weiter. Denn der Partner, der auf diese Weise angegriffen wird, wird sich verteidigen, sich rechtfertigen und möglicherweise ebenfalls Vorwürfe und Schuldzuweisungen machen. Streit oder Entfremdung sind vorprogrammiert. Eine Beziehungskrise kann die Folge sein. Eine Krise, die aber nicht plötzlich von außen in die Beziehung gekommen ist oder vom Partner ausgelöst wurde, sondern von uns selbst.
Wir müssen anerkennen, dass es immer wir selbst sind, die verantwortlich für ein Problem in der Partnerschaft zeichnen. Das ist vielleicht die schwierigste Lektion. Auch wenn man überzeugt ist, die besten Absichten zu haben, vollkommen richtig gehandelt zu haben und dass etwas ausschließlich die Schuld des Partners ist – man muss immer zuerst bei sich selbst ansetzen. Es ist unsere Aufgabe, das Problem zu lösen, wenn wir es wahrnehmen. Wir dürfen nicht erwarten, dass der Partner das Problem für uns löst. Es liegt in unserer Hand, die Beziehung zu erhalten und voranzubringen.
Veränderungen in der Beziehung als natürlich akzeptieren
Nicht erst, wenn Streit und Missverständnisse an der Tagesordnung sind, sollten wir
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