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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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schnellem Trab in Richtung der versprengten Demonstrantengruppen in Bewegung. Kaye ging weiter, allerdings langsamer. »Bleiben Sie stehen, Ms. Lang«, sagte Tighe. »Da ist jemand erschossen worden!«
    »Benson kümmert sich darum!«, sagte Tighe nachdrücklich und stellte sich zwischen Kaye und die Menge.
    Kaye blickte ihrer Begleiterin über die Schulter. Drüben schlugen Männer und Frauen die Hände vors Gesicht und weinten. Sie sah liegen gelassene Spruchbänder und schlaffe Transparente. Die Menge lief ziellos durcheinander.
    Soldaten der Nationalgarde in Tarnanzügen, die Maschinengewehre im Anschlag, bezogen entlang der nächstgelegenen Straße zwischen den Backsteingebäuden Stellung.
    Ein Wagen des hauseigenen Sicherheitsdienstes fuhr zwischen zwei hohen Eichen hindurch über den Rasen. Kaye erkannte weitere Uniformierte; manche sprachen in Handys oder WalkieTalkies.
    Dann bemerkte sie den einzelnen Mann in der Mitte. Er hatte die Arme ausgestreckt, als wolle er fliegen. Neben ihm lag eine Frau starr und steif im Gras. Benson und ein Sicherheitsbeamter kamen gleichzeitig bei den beiden an. Benson stieß mit dem Fuß einen schwarzen Gegenstand über die Wiese: eine Pistole. Der Wachmann zog seine Waffe heraus und trieb den flatternden Mann energisch zurück.
    Benson kniete sich neben die Frau, fühlte ihr am Hals den Puls, blickte erst auf und dann um sich. Seine Miene sagte alles. Dann sah er Kaye an und formte mit den Lippen nachdrücklich die Worte Treten Sie zurück.
    »Das war doch gar nicht mein Baby!«, schrie der aufgeregte Mann. Der dürre Weiße mit kurzen, wirren blonden Haaren war Ende zwanzig und trug ein schwarzes TShirt; die schwarzen Jeans hingen tief auf den Hüften. Er warf den Kopf vor und zurück, als setzten ihm Fliegen zu. »Sie hat mich herkommen lassen. Verdammt noch mal, sie hat mich regelrecht dazu gezwungen! Das war nicht mein Baby!«
    Der Mann zog sich tänzelnd von dem Sicherheitsbeamten zurück und zuckte dabei wie eine Marionette. »Ich kann diese Scheiße nicht mehr ertragen! DIESE SCHEISSE MUSS SOFORT AUFHÖREN!«
    Kaye sah die verletzte Frau an. Selbst aus zwanzig Metern Entfernung konnte sie sehen, wie das Blut am Bauch die Bluse durchtränkte, wie die blicklosen Augen wie in vergeblicher Hoffnung zum Himmel starrten.
    Tighe, Benson, der flatternde Mann, die Soldaten, die Wachleute, die Menschenmenge – Kaye nahm nichts mehr wahr.
    Sie sah nur noch eines: die Frau.
49
    Baltimore
    Cross kam auf Krücken in Americols Kasino für leitende Angestellte. Ihr junger Pfleger zog einen Stuhl heran, und sie ließ sich mit einem erleichterten Schnaufen darauf fallen.
    Der Pfleger ging. Bis auf Cross, Kaye, Laura Nilson und Robert Jackson war der Raum jetzt leer.
    »Wie ist denn das passiert, Marge?«, fragte Jackson.
    »Ich bin nicht angeschossen worden«, verkündete sie fröhlich, »sondern nur in der Badewanne ausgerutscht. Mein schlimmster Feind war ich immer selbst. Ich bin eine ungeschickte Kuh. Wie ist der Stand der Dinge, Laura?«
    Nilson – Kaye hatte sie seit der katastrophalen Pressekonferenz über den Impfstoff nicht mehr gesehen – trug ein elegantes, aber strenges dreiteiliges Kostüm. »Die Überraschung der Woche ist RU-486«, sagte sie. »Die Frauen benutzen es – und zwar in großen Mengen. Die Franzosen haben eine Lösung vorgeschlagen.
    Wir haben mit ihnen gesprochen, aber sie sagen, sie wollten ihr Angebot unmittelbar der WHO und der Taskforce unterbreiten, sie hätten humanitäre Absichten und seien nicht an Geschäftsverbindungen interessiert.«
    Marge rief den Kellner, bestellte Wein und wischte sich die Stirn mit der Serviette ab, die sie anschließend auf ihrem Schoß ausbreitete. »Wie edelmütig«, sinnierte sie. »Die werden den Bedarf der ganzen Welt decken, und das ohne neue Kosten für Forschung und Entwicklung. Robert, funktioniert das?«
    Jackson nahm einen Palmtop zur Hand und stocherte sich mit einem Stift durch seine Notizen. »Die Taskforce verfügt über unbestätigte Berichte, wonach RU-486 zur Abtreibung der eingenisteten Eizelle des zweiten Stadiums führt. Über das erste Stadium bisher kein Wort. Alles Einzelfallberichte. Hinterhofforschung.«
    »Abtreibungspillen waren nie nach meinem Geschmack«, bemerkte Cross. Zum Kellner sagte sie: »Ich nehme den italienischen Salat mit Vinaigrette und eine Tasse Kaffee.«
    Kaye bestellte ein ClubSandwich, obwohl sie, gelinde gesagt, keinen Hunger hatte. Sie fühlte, wie sich ein Gewitter

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