Das Darwin-Virus
mich vor ein Standesgericht zitieren und mir die Zulassung entziehen.« Sie sah Kaye traurig, aber gefasst an. »Ich brauche Ihre neue Adresse.«
Kaye starrte das Formular an und schüttelte dann den Kopf.
»Ich flehe Sie an, Kaye. Ich möchte Sie ärztlich betreuen, bis es vorüber ist.«
»Vorüber?«
»Bis zur Entbindung.«
Wieder schüttelte Kaye den Kopf, dieses Mal mit dem halsstarrigen, wilden Ausdruck eines gejagten Kaninchens.
Galbreath blickte mit Tränen in den Augen auf das Ende des Untersuchungstisches. »Ich habe keine andere Wahl. Keiner von uns hat eine Wahl.«
»Ich will nicht, dass jemand kommt und mir das Kind wegnimmt«, sagte Kaye keuchend. Ihre Hände waren kalt.
»Wenn Sie sich nicht kooperativ zeigen, kann ich Sie nicht mehr als Ihre Ärztin betreuen«, erklärte Galbreath. Sie wandte sich abrupt um und ging aus dem Zimmer. Kurz darauf kam die Krankenschwester. Sie sah Kaye wie vor den Kopf gestoßen dastehen und fragte, ob sie helfen könne.
»Ich habe keine Ärztin mehr«, sagte Kaye.
Die Schwester trat zur Seite, weil Galbreath wieder hereinkam.
»Bitte, geben Sie mir Ihre Adresse. Ich weiß, dass das Marine Pacific sich allen Versuchen der örtlichen Taskforce widersetzt, mit den Patientinnen Kontakt aufzunehmen. Ich versehe Ihre Akte mit zusätzlichen Warnungen. Wir stehen auf Ihrer Seite, Kaye, glauben Sie mir.«
Kaye wollte unbedingt mit Mitch sprechen, aber der war im Universitätsviertel und regelte die letzten Hotelangelegenheiten für die Tagung. Dabei wollte sie ihn nicht stören.
Galbreath gab ihr einen Kugelschreiber. Ganz langsam füllte sie das Formular aus. Die Ärztin nahm es an sich. »Die hätten es sowieso herausgefunden«, sagte sie knapp.
Kaye nahm den Bericht und ging aus dem Krankenhaus zu dem braunen Toyota Camry, den sie vor zwei Monaten gekauft hatten.
Zehn Minuten saß sie wie betäubt im Auto, das Lenkrad mit blutleeren Fingern umklammert. Schließlich drehte sie den Zündschlüssel.
Sie hatte gerade das Fenster heruntergekurbelt, um frische Luft hereinzulassen, da hörte sie, wie Galbreath ihr etwas nachrief. Ihr erster Gedanke war, einfach aus der Parklücke zu setzen und wegzufahren, aber dann trat sie auf die Bremse und drehte sich nach links. Galbreath rannte über den Parkplatz, legte die Hand auf die Autotür und sah Kaye an.
»Sie haben eine falsche Adresse angegeben, stimmt’s?«, fragte sie, das Gesicht vor Wut gerötet.
Kaye starrte ins Leere.
Galbreath schloss die Augen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Mit Ihrem Baby ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Ich kann nicht erkennen, dass ihm irgendetwas fehlt. Ich begreife nichts mehr. Warum stößt Ihr Organismus es nicht als Fremdgewebe ab – es ist doch ganz anders als Sie! Genauso gut könnten Sie mit einem Gorilla schwanger sein. Aber Ihr Körper nimmt es an und ernährt es. Das ist bei allen Müttern so. Warum untersucht die Taskforce das nicht?«
»Es ist ein Rätsel«, räumte Kaye ein.
»Verzeihen Sie mir bitte, Kaye.«
»Schon verziehen«, erwiderte Kaye nicht ganz aufrichtig.
»Nein, ich meine es ernst. Es ist mir egal, wenn sie mir die Zulassung entziehen – möglicherweise haben sie in der ganzen Sache völlig Unrecht! Ich möchte auch weiterhin Ihre Ärztin bleiben.«
Von der Anspannung erschöpft, verbarg Kaye das Gesicht in den Händen. Ihr Hals fühlte sich an, als sei er aus Stahlfedern. Sie hob den Kopf und legte ihre Hand auf die von Galbreath. »Wenn das möglich ist, wäre es mir sehr lieb«, sagte sie.
»Wohin Sie auch gehen, was Sie auch tun, versprechen Sie mir –
dass ich bei der Entbindung dabei sein darf?«, bettelte Galbreath.
»Ich werde so viel wie möglich über SHEVA Schwangerschaften in Erfahrung bringen, damit ich vorbereitet bin, und ich möchte Ihre Tochter entbinden.«
Kaye parkte gegenüber dem alten, quaderförmigen University Plaza Hotel jenseits der Stadtautobahn, die zur University of Washington führte. Sie fand ihren Mann im Erdgeschoss. Mitch wartete gerade auf das offizielle Angebot des Geschäftsführers, der sich in sein Büro zurückgezogen hatte.
Sie berichtete ihm, was sich im Marine Pacific Hospital zugetragen hatte. Mitch schlug mit der Faust wütend auf die Tür des Tagungsraumes. »Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen – nicht eine Minute lang!«
»Du weißt, dass das nicht geht«, erwiderte Kaye, »aber ich denke, ich habe meine Sache ganz gut gemacht.«
»Ich kann nicht fassen, dass Galbreath dir
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