Das Dekameron
konnten nichtsdestoweniger ihre verstohlenen Seufzer nicht verbergen, was sie in Worten Zima offenbart hätte. Als Zima einige Zeit auf die Antwort gewartet hatte und diese immer noch nicht erfolgte, wunderte er sich. Dann aber begann er die List zu erraten, welche der Edelmann ihm gegenüber angewendet hatte. Als er nun seiner Dame weiterhin ins Gesicht schaute und ihre Augen mehr als einmal bei seinem Anblick liebevoll aufblitzten, auch der Seufzer achtete, die sie nur mit gedämpfter Kraft aus ihrer Brust emporsteigen ließ, faßte er wieder einige Hoffnung und entschloß sich mit deren Hilfe zu einem ändern Versuch. Er begann sich nämlich im Namen der Dame, die ihm zuhörte, folgendermaßen selbst zu antworten:
»Mein lieber Zima, wahrlich, schon seit langer Zeit bin ich inne geworden, daß deine Liebe zu mir sehr feurig und von edler Art ist. Nun erkenne ich es aus deinen Worten noch viel deutlicher und freue mich dessen, wie es recht ist. Bin ich dir übrigens bisher hart und grausam erschienen, so wünsche ich nicht, daß du glaubst, ich sei im Herzen ebenso gesinnt gewesen, wie mein Antlitz sich gezeigt hat. Ich habe dich vielmehr immer vor allen ändern Männern geliebt und wert gehalten, mußte mich aber aus Furcht vor einem ändern und aus Besorgnis um meinen Ruf so benehmen, wie ich es tat. Jetzt aber kommt die Zeit, wo ich dir deutlich werde zeigen können, ob ich dich liebe, und wie ich dich für die Liebe zu lohnen imstande bin, die du für mich empfunden hast und noch empfindest. So freue dich denn und sei guter Hoffnung, denn Herr Francesco ist, wie du weißt, im Begriff, in wenigen Tagen als Stadtvogt nach Mailand zu gehen, wozu du ihm ja selbst mir zuliebe dein schönes Pferd geschenkt hast. Sobald er abgereist sein wird, verspreche ich dir unfehlbar bei meiner Ehre und bei der warmen Liebe, die ich für dich empfinde, daß du in wenigen Tagen mit mir allein sein sollst und wir alsdann unsere Liebe zu völligem und ergötzlichem Ziele führen wollen. Und damit ich dir in dieser Sache nicht noch einmal eine Botschaft zu schicken brauche, so sage ich dir jetzt: sobald du eines Tages zwei ausgebreitete Handtücher am Fenster meiner Schlafkammer, die auf den Garten hinausgeht, hängen siehst, so komme an diesem Abend, wenn es dunkel geworden ist, durch die Gartentür zu mir herauf; doch sei vorsichtig, daß du von niemandem gesehen wirst. Dann sollst du mich finden. Ich werde deiner schon warten, und wir werden beide die ganze Nacht über soviel Freude und Vergnügen aneinander haben, wie wir es nur wünschen.«
Als Zima im Namen der Dame also gesprochen hatte, fing er wieder an, für sich zu reden und antwortete: »Vielgeliebte Dame, das unendliche Entzücken über Eure gute Antwort hat alle meine Kräfte so befangen, daß ich kaum vermag, zum Dank, den ich Euch sagen möchte, die rechten Worte zu finden. Könnte ich aber reden, wie ich es wünschte, so wäre mir keine Frist weit genug, um den vollen Ausdruck meines Dankes, meinem Gefühl und meiner Pflicht entsprechend, in sich zu fassen, wie er meinem Gefühl und meiner Pflicht entspräche. So muß ich es nun Eurem verständigen Ermessen überlassen, das zu erkennen, was ich trotz meiner Wünsche in Worten nicht zu sagen vermag. Nur das erwidere ich Euch: wie Ihr mir anbefohlen habt, so denke ich unfehlbar zu tun, und wenn ich dann vielleicht beruhigter bin, werde ich mir Mühe geben, für das unaussprechliche Geschenk, das Ihr mir gewährt habt, Euch nach Kräften so sehr zu danken, wie ich nur immer kann. Nun habe ich für jetzt nichts weiter zu sagen, und darum, meine geliebteste Dame, gebe Euch Gott das Schönste und Beste, was Ihr an Glück und Freude ersehnt, und somit lebet wohl.«
Zu alldem sagte die Dame kein Wort, weshalb nun Zima aufstand und zu dem Edelmann zurückkehrte. Als dieser die Sitzung aufgehoben sah, ging er ihm entgegen und sagte lachend: »Nun, was meinst du, habe ich mein Versprechen gut gehalten?« »Nein, Herr«, antwortete Zima. »Ihr verspracht mir, mich mit Eurer Gattin reden zu lassen, und ich habe zu einem Marmorbild sprechen müssen.« Diese Rede war dem Edelmann äußerst willkommen; denn wie gut auch seine Meinung von der Frau gewesen war, so wurde sie doch hierdurch noch vermehrt. »Genug«, sagte er, »das Pferd gehört nun mir, das bisher dein war«; worauf Zima antwortete: »Freilich, Herr. Hätte ich aber gedacht, daß die Gunst, die Ihr mir gestattet habt, solche Früchte trüge, wie sie es getan hat, so
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