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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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ihre Folgen zuteilt, nicht hat unbestraft lassen wollen. Und so ist denn auch Euer Mann Tedaldos wegen ebenso ohne seine Schuld in Gefahr und Ihr in Angst gekommen, wie Ihr dem Tedaldo ohne dessen Schuld Euch zu entziehen bemühtet. Wollt Ihr nun aus dieser Not befreit sein, so müßt Ihr mir folgendes versprechen, noch viel mehr aber dereinst danach tun: geschieht es je, daß Tedaldo aus seiner langen Verbannung wieder zurückkehrt, so müßt Ihr ihm Eure Gunst, Eure Liebe,
    Euer Wohlwollen und Euren vertraulichen Umgang wieder gewähren und ihm erneut denselben Platz einräumen, den er einnahm, bevor Ihr, töricht genug, dem albernen Mönche Glauben beimaßet.«
    Der Pilger hatte seine Rede beendigt und die Dame seine Worte auf das sorgsamste aufgenommen. Sie hielt die Gründe, die er vorgebracht hatte, für vollkommen wahr, und während sie ihn reden hörte, glaubte sie mit Bestimmtheit, sie erdulde ihre Trübsal um dieser Sünde willen, und sagte nun: »Freund Gottes, ich erkenne wohl, daß das, was Ihr mir gesagt habt, die Wahrheit ist und daß die Geistlichen, die ich bisher für Heilige gehalten habe, so sind, wie Eure Worte sie mir schildern. Auch sehe ich deutlich ein, daß ich in meinem Benehmen gegen Tedaldo sehr gefehlt habe, und würde es mir jemals möglich, so wollte ich diesen Fehler gern auf die mir von Euch angegebene Weise wiedergutmachen. Wie soll das aber geschehen? Tedaldo kann nie mehr wiederkommen, denn er ist tot. Und so sehe ich nicht ein, warum ich Euch versprechen soll, was doch unmöglich bleiben muß.«
    Hierauf antwortete der Pilger: »Madonna, Tedaldo ist, wie Gott mir offenbart, durchaus nicht tot, vielmehr lebt er, und wenn er Eure Gunst wiedererlangt, so geht es ihm wohl.« Die Dame erwiderte: »Habt acht, was Ihr sagt. Ich habe ihn vor meiner Tür mit Messerstichen ermordet gesehen. In diesen meinen Armen habe ich ihn gehalten und ihm das tote Angesicht mit vielen Tränen benetzt, die vielleicht schuld an dem gewesen sind, was man mir seit jener Zeit deswegen Übles nachgesagt hat.« Darauf sagte der Pilger: »Madonna, was Ihr mir auch sagen mögt, ich versichere Euch, daß Tedaldo am Leben ist, und wollt Ihr versprechen und halten, was ich Euch gesagt habe, so hoffe ich, Ihr sollt ihn bald sehen.« »Gern«, entgegnete die Dame, »will ich es tun und tue es hiermit; denn nichts könnte mir begegnen, das mir zu gleicher Freude gereichte, als meinen Mann unverletzt wieder frei und den Tedaldo lebend zu sehen.«
    Nun schien es dem Tedaldo Zeit, sich zu offenbaren und die Dame durch sichere Hoffnung auf die Freiheit ihres Gatten zu erfreuen. »Madonna«, sagte er deshalb, »um Euch wegen Eures Mannes zu trösten, muß ich Euch ein Geheimnis mitteilen, das Ihr Euer Leben lang bewahren und niemandem verraten werdet.«
    Die Dame hatte schon vorher das höchste Vertrauen zu der Heiligkeit gefaßt, die sie dem Pilger beilegte, und daher hatte sie ihn bereits in ein entferntes und einsames Zimmer geführt. So zog denn nun Tedaldo einen Ring hervor, den er mit der äußersten Sorgfalt bewahrt hatte und den die Dame ihm in der letzten Nacht geschenkt hatte, die er mit ihr zugebracht. Diesen zeigte er ihr und sagte: »Kennt Ihr dies, Madonna?« »Jawohl, Herr«, erwiderte die Dame, als sie den Ring sah und sogleich erkannte, »den schenkte ich einst dem Tedaldo.« Darauf richtete der Pilger sich auf, warf Pilgermantel und Hut schnell von sich und sagte in florentinischer Aussprache: »Und kennt Ihr mich denn nun?« Als die Dame ihn sah und erkannte, daß es Tedaldo war, erschrak sie heftig und fürchtete sich so sehr vor ihm, wie man sich vor den Leichnamen fürchtet, wenn man sie nach Art der Lebendigen herumgehen sieht. Daher eilte sie auch nicht, ihn als den von Zypern zurückgekehrten Tedaldo zu bewillkommnen, sondern vor ihm als dem aus dem Grabe Auferstandenen zu fliehen. Tedaldo hielt sie aber zurück, indem er sagte: »Madonna, zweifelt nicht, ich bin Euer Tedaldo, lebendig und gesund. Ich bin nicht gestorben und war noch niemals tot, was Ihr und meine Brüder auch glauben möget.« Die Dame faßte ein wenig mehr Mut, und als sie seine Stimme erkannte, ihn etwas länger betrachtete und sich selbst überzeugte, daß er es wirklich war, fiel sie ihm weinend um den Hals, küßte ihn und sagte: »Mein süßer Tedaldo, gottlob, daß du wieder da bist.« Als Tedaldo Kuß und Umarmung erwidert hatte, sagte er: »Madonna, zu einem herzlicheren Empfange ist jetzt nicht Zeit. Ich will nun gehen

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