Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
Gewalt habe nötigen wollen, ihm zu Willen zu sein.
    Als der Pilger dies erfahren hatte, entfernte er sich, nicht ohne sich bei dem Herrn der Signorie zu beurlauben, und schlich sich heimlich in das Haus der Madonna Ermellina. Hier waren alle bis auf die Dame bereits schlafen gegangen. Sie aber erwartete ihn, gleich sehnsüchtig, gute Nachrichten von ihrem Gatten zu hören und sich mit ihrem Tedaldo völlig auszusöhnen. Gleich bei seinem Eintreten sagte er zu ihr: »Freu dich, mein liebstes Herz, denn gewiß sollst du morgen deinen Aldobrandino heil und gesund wieder hier haben.« Und um sie gründlicher zu überzeugen, erzählte er ihr nun ausführlich, was er getan hatte. Die Dame war über die beiden so unerwarteten Ereignisse, ihren Tedaldo, den sie als unzweifelhaft tot beweint hatte, lebendig wiederzuhaben, und Aldobrandino, dessen Tod sie in wenigen Tagen glaubte beweinen zu müssen, außer Gefahr zu wissen, unaussprechlich glücklich und umarmte und küßte ihren Tedaldo mit der herzlichsten Liebe. Dann gingen sie miteinander schlafen und schlossen, während sich eins am ändern erfreute, einen ergötzlichen und anmutigen Frieden. Als der Morgen nahte, erhob sich Tedaldo, nachdem er seiner Dame erklärt, was er ferner zu tun gedenke, und ihr erneut empfohlen hatte, dies alles völlig geheimzuhalten. Noch immer in Pilgerkleidern verließ er ihr Haus, um, wenn es Zeit war, die Angelegenheiten Aldobrandinos wahrnehmen zu können.
    Die Signorie glaubte hinlänglich über das Verbrechen aufgeklärt zu sein.
    Sie befreite daher gleich am Morgen den Aldobrandino und ließ wenige Tage darauf den Missetätern an der Stelle, wo sie den Mord begangen hatten, den Kopf abschlagen. Als nun Aldobrandino zu seiner Frau und aller Verwandten und Freunde großer Zufriedenheit frei geworden war und alle deutlich einsahen, daß dies nur durch die Bemühungen des Pilgers gelungen war, baten ihn die beiden Eheleute, so lange in ihrem Hause zu wohnen und in der Stadt zu verweilen, als es ihm gefiel, und beide konnten nicht satt werden, ihm Liebe und Ehre anzutun, besonders aber die Frau, die ja wohl wußte, wen sie vor sich hatte.
    Tedaldo aber schien es nach einigen Tagen Zeit, seine Brüder mit Aldobrandino wieder zu versöhnen; denn er vernahm, sie fühlten sich nicht allein durch dessen Freilassung beschimpft, sondern hätten sich auch aus Furcht bewaffnet. Er erinnerte also den Aldobrandino an die Erfüllung seines Versprechens, wozu dieser sich auch gern bereit erklärte. Der Pilger hieß ihn hierauf zum folgenden Tag ein schönes Gastmahl vorbereiten, bei dem, wie er verlangte, Aldobrandino mit seinen Vettern und den weiblichen Familienmitgliedern die vier Brüder und deren Frauen bewirten sollte. Er selbst, fügte er hinzu, werde sie sogleich im Namen des ersten zum Gastmahl und zur Versöhnung einladen. Aldobrandino war mit allem zufrieden, was der Pilger wünschte. Dieser ging alsbald zu den vier Brüdern und brachte es nach vielem Hin- und Herreden, wie es zu ihrer Aufklärung nötig war, am Ende mit unwiderlegbaren Gründen ziemlich leicht dahin, daß sie sich bereit erklärten, um Verzeihung zu bitten und Aldobrandinos Freundschaft wieder zu suchen. Darauf lud er sie samt ihren Frauen auf den ändern Tag zum Mittagessen bei Aldobrandino ein, und sie nahmen im Vertrauen auf ihn die Einladung willig an.
    Am ändern Tag um die Essensstunde gingen zuerst die vier Brüder des Tedaldo, in Trauer wie sie waren, mit einigen ihrer Freunde in das Haus des Aldobrandino, der sie erwartete. Hier warfen sie in Gegenwart aller, die von Aldobrandino geladen waren, ihnen Gesellschaft zu leisten, die Waffen auf den Boden und lieferten sich selbst dem Aldobrandino aus, indem sie ihn zugleich deswegen, was sie gegen ihn unternommen hatten, um Verzeihung baten. Aldobrandino war zu Tränen gerührt und nahm sie liebevoll auf. Er küßte einen jeden auf den Mund und vergab mit wenigen Worten jede ihm widerfahrene Beleidigung. Hierauf kamen ihre Schwestern und ihre Frauen, alle in Trauer, und wurden von Madonna Ermellina und den ändern Damen auf das freundlichste empfangen. Bei Tisch wurden alle, Männer wie Frauen, auf das trefflichste bewirtet, und nichts bei diesem Gastmahl war anders als löblich, abgesehen von einer gewissen Schweigsamkeit, welche der noch neue Schmerz veranlaßte, der sich in den dunklen Kleidern der Angehörigen Tedaldos aussprach. Um dieser Trauer willen war auch das ganze Unternehmen des Pilgers samt dem Gastmahl

Weitere Kostenlose Bücher