Das Dekameron
verhalten hat -, was für ein Grund durfte dann vorhanden sein, daß Ihr Euch so feindlich ihm entzöget? Über diese Dinge hättet Ihr im voraus nachdenken müssen, und glaubtet Ihr, sie als ein Verbrechen bereuen zu müssen, so hättet Ihr sie ganz unterlassen sollen. Ihr wurdet die Seinige, wie er der Eurige wurde. Ihr konntet, wie mit allem anderen, das Euch gehört, es allerdings nach Eurem Belieben dahin bringen, daß er nicht mehr der Eurige war; aber Euch ihm, dem Ihr gehörtet, entreißen zu wollen, das war, wenn er nicht seine Einwilligung dazu gegeben hat, ein Raub und ein unziemliches Benehmen.
Nun müßt Ihr wissen, daß ich selbst ein Geistlicher bin. Daher kann ich mich, Euch zu Nutz und Frommen, etwas ausführlicher über die Sitten der Geistlichen auslassen. Für mich ist es nicht, wie für einen ändern, unschicklich, und ich sage gern etwas darüber, damit Ihr für die Zukunft eine richtigere Meinung von ihnen haben möget, als ihr sie bisher gehabt. Einst waren allerdings Mönche und Geistliche gar heilige und wackere Leute. Aber die man heute so nennt und die dafür gelten wollen, die haben nichts vom Mönch wie die Kutte. Und selbst die ist keine echte Mönchskutte mehr; denn während diese von den Stiftern der Orden eng und ärmlich und von schlechtem Zeug bestimmt wurde, um einer Seele zu entsprechen, welche die weltlichen Dinge geringschätzte, da der Körper sich in ein so niedriges Gewand hüllte, machen die jetzigen Mönche ihre Kutten weit und kostbar und von feinem, glänzendem Zeuge, geben ihnen dabei eine erlesene und hohepriesterliche Form und entblöden sich dann nicht, in Kirchen und auf Straßen und Plätzen darin herumzustolzieren wie die Weltleute in ihren Kleidern. Und wie der Fischer sich bestrebt, im Flusse so viele Fische wie möglich in seinem Netz zu fassen, so sind auch sie bedacht, in die Fransen und Falten ihrer weiten Gewänder recht viele Betschwestern, Witwen und andere törichte Männer und Weiber zu verwickeln, und kennen außer diesem keine anderen Sorgen, keinen anderen Beruf. Darum haben denn diese Leute in der Tat nicht mehr Mönchskutten, sondern nur noch die Farben der Kutten. Während ehemals die Geistlichen danach strebten, die Menschen zur Seligkeit anzuleiten, streben sie heute nur nach Weibern und Reichtümern und verwenden ihre ganze Sorgfalt schon seit langem nur darauf, durch Lärmen und Schreckbilder die Gemüter der Toren zu entsetzen. Dabei reden sie ihnen vor, daß die Sünden durch Almosen und Messelesen gebüßt würden, damit ihnen, welche nicht aus Frömmigkeit, sondern allein aus niedriger Gesinnung ihre Zuflucht vor Arbeit und Mühe im geistlichen Stande gesucht haben, der eine Brot, der andere Wein bringe und der dritte für Seelen der Verstorbenen Mahlzeiten spende. Nun ist es freilich vollkommen wahr, daß Almosen und Gebete uns helfen, die Sünden abzubüßen. Sähen und wüßten aber diejenigen, die sich ihrer befleißigen, wem sie zugute kommen, so behielten sie viel lieber ihre Geschenke oder würfen sie ebenso vielen Säuen vor.
Weil diese Mönche aber ferner recht wohl wissen, daß, je geringer die Anzahl der Besitzer eines großen Vermögens ist, desto reichlicherer Anteil einem jeden zufällt, so geben sie sich alle Mühe, durch ihr Geschrei und durch ihre Drohungen die ändern von dem entfernt zu halten, was sie mit niemand zu teilen wünschen. Sie schelten vor den Leuten die Wollust, damit diese ihr entsagen und die Weiber ihnen allein bleiben mögen. Sie verdammen Wucher und schlechten Erwerb, damit man ihnen auftragen möge, das übel gewonnene Gut wiederzuerstatten, auf daß sie sich bequemere Kutten, Bistümer und einträglichere Prälaturen mit dem Gelde erkaufen können, von dem sie versicherten, daß es seine Besitzer notwendig ins Verderben stürze.
Wirft man ihnen nun dies und was sie sonst noch an Unrecht tun, vor, so bilden sie sich ein, durch die Antwort: >Handelt nach unseren Worten und nicht nach unseren Taten! < sich vollkommen ihrer großen Schuld zu entladen, als ob es den Schafen leichter fiele, standzuhalten und den Feind zu schlagen, als den Hirten. Auch wissen die meisten unter ihnen recht gut, wie viele von denen, die sie mit einer solchen Antwort abfertigen wollen, dieselbe ganz anders verstehen, als sie gemeint war. Die Pfaffen von heutzutage wollen nämlich, nach der Meinung dieser letzteren, daß man nach ihren Reden handle, das heißt, man soll ihnen die Beutel mit Geld füllen, ihnen alle
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