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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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bedenkliches Ding, und sie fürchtete sehr, daß große Schande für ihre Tochter daraus entspringen könnte. Als sie aber wieder bedachte, es sei löblich, mitzuhelfen, daß die gute Frau ihren Gatten wiederbekomme, auch erwog, daß sie aus löblicher Absicht also tat, versprach sie im Vertrauen auf ihre gute und ehrbare Gesinnung nicht nur, das Gewünschte zu tun, sie erhielt auch auf dem angegebenen Wege in wenigen Tagen mit geheimer Vorsicht jenen Ring, obgleich es dem Grafen schwerfiel, sich von ihm zu trennen, und legte mit großer Geschicklichkeit die Gräfin statt ihrer Tochter dem Grafen zur Seite.
    Bei den ersten, vom Grafen inbrünstig gewünschten Vereinigungen empfing nach Gottes Willen die Dame zwei männliche Kinder, wie sich zur gehörigen Zeit bei der Entbindung zeigte. Auch gewährte die Edeldame der Gräfin die Umarmungen ihres Gemahls nicht nur einmal, sondern viele Male, wobei sie so vorsichtig zu Werke ging, daß nichts von diesem Verhältnis laut wurde und der Graf fortwährend der Meinung war, nicht seine Frau, sondern die, welche er liebte, genossen zu haben. Deshalb schenkte er ihr morgens, wenn er sie verlassen mußte, schöne und kostbare Edelsteine in Mengen, welche die Gräfin sämtlich sorgsam verwahrte.
    Als diese von ihrer Schwangerschaft überzeugt war, wollte sie der Edeldame nicht länger beschwerlich fallen, sondern sagte zu ihr: »Madonna, Gott und Euch sei Dank, ich habe erlangt, was ich wünschte, und so ist es Zeit, daß ich nun nach Eurem Verlangen tue, um dann wieder abzureisen.« Die Edelfrau erwiderte, es sei ihr lieb, wenn die Gräfin irgend etwas nach ihren Wünschen erreicht habe. Was sie selbst aber getan, sei nicht in der Hoffnung auf irgendeinen Lohn geschehen, sondern allein weil sie gemeint habe, sie müsse so handeln, wenn sie Gutes tun wolle. »Madonna«, erwiderte die Gräfin, »ich lobe diese Gesinnung an Euch und gedenke nicht, Euch das, was Ihr verlangen werdet, als Lohn zu schenken, sondern allein um Gutes zu tun, wie man es meiner Meinung nach tun soll.« Hierauf bat die Edeldame notgedrungen und voller Scham um hundert Goldgulden zur Ausstattung ihrer Tochter. Die Gräfin bemerkte wohl ihre Scham und die Bescheidenheit ihrer Bitte und schenkte ihr deshalb fünfhundert Gulden nebst schönem und kostbarem Geschmeide, das leicht ebensoviel wert sein mochte. Die Edelfrau war darüber hoch erfreut und dankte der Gräfin, wie sie nur immer wußte und konnte. Diese aber verließ sie und kehrte in ihren Gasthof zurück.
    Um für die Zukunft Bertrand jeden Anlaß zu nehmen, jemanden in ihr Haus zu schicken oder es selbst zu besuchen, zog die Edeldame bald darauf mit ihrer Tochter zu ihren Verwandten aufs Land. Bertrand kehrte indes, von den Seinigen zurückgerufen, als er erfuhr, die Gräfin sei davongegangen, selbst in seine Heimat zurück. Die Gräfin war sehr erfreut, als sie vernahm, er sei von Florenz abgereist und in seine Grafschaft heimgekehrt, und verweilte in Florenz bis zu ihrer Niederkunft, in der sie von zwei Knaben, die ihrem Vater äußerst ähnlich waren, entbunden ward. Sie ließ die Kinder mit vieler Sorgfalt stillen, machte sich, als es ihr an der Zeit schien, auf den Weg und langte, ohne von jemand erkannt zu werden, glücklich in Montpellier an. Hier ruhte sie sich einige Tage aus, zog Erkundigungen über den Grafen und seinen Aufenthalt ein und erfuhr, er werde am nächsten Allerheiligentage in Roussillon ein großes Gastmahl für Damen und Ritter geben. Zu diesem ging sie nun, immer noch in ihrer gewohnten Pilgertracht, und eilte, ohne sich umzukleiden, ihre beiden Kinder im Arm, hinauf in den Saal des gräflichen Palastes, wo, wie sie hörte, Damen und Ritter versammelt waren, um zu Tische zu gehen.
    Mitten durch die Menge drängte sie sich dahin, wo sie den Grafen sah, warf sich ihm zu Füßen und sagte weinend: »Mein Gebieter, ich bin deine unglückliche Gattin, die, um dich deiner Heimat zurückzuführen und zu erhalten, lange Zeit im Elend umhergeirrt ist. Ich beschwöre dich bei Gott, daß du mir jetzt die Bedingungen hältst, die du mir durch zwei Edelleute auferlegt hast. Sieh hier in meinen Armen nicht eines, sondern zwei deiner Kinder und sieh hier deinen Ring. Nun ist es nach deinem eigenen Versprechen Zeit, daß ich als deine Frau von dir aufgenommen werde.«
    Als der Graf dies hörte, erschrak er sehr; denn er erkannte den Ring und die Kinder, so ähnlich waren sie ihm. Doch sagte er: »Wie sollte denn das geschehen sein?«

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