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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Bertrand nennt, ein gefälliger, freundlicher Herr, den man in unserer Stadt ausnehmend gern sieht und der in eine meiner Nachbarinnen, ein armes Edelfräulein, über alle Maßen verliebt ist. Das ist ein gar sittsames und wackeres Mädchen, das nur um seiner Armut willen noch nicht verheiratet ist und mit seiner Mutter, einer verständigen und braven Frau, zusammenlebt. Aber wer weiß, was sie diesem Grafen nicht schon zu Gefallen getan hätte, wenn ihre Mutter nicht wäre!«
    Die Gräfin nahm diese Worte sorgfältig in sich auf, erkundigte sich noch genauer nach allen Umständen und faßte ihren Entschluß, sobald sie von allem unterrichtet war. Zu diesem Ende ließ sie sich Namen und Wohnung jener Frau und ihrer Tochter, in welche der Graf verliebt war, bezeichnen und ging eines Tages, ohne jemand etwas davon zu sagen, in Pilgerkleidung zu ihnen. Sie fand Mutter und Tochter recht ärmlich aussehend, begrüßte sie und sagte der ersteren, wenn es ihr gefiele, wünschte sie mit ihr zu sprechen. Die Edelfrau stand auf und sagte, sie sei bereit, sie anzuhören, und so gingen sie in ein benachbartes Gemach, wo die Gräfin, als sie sich niedergelassen hatten, so zu sprechen anfing: »Madonna, Ihr gehört, wie mir scheint, ebenso wie ich zu den Feinden Fortunas. Wenn Ihr aber wollt, könnt Ihr Euch und mich glücklich machen.« Die Dame antwortete, sie wünsche nichts so sehr, als ihre Lage auf anständige Weise zu verbessern. Die Gräfin fuhr fort: »Ich bedarf Eurer Verschwiegenheit. Verlasse ich mich auf sie und verratet Ihr mich dennoch, so schadet Ihr Euch ebenso wie mir.« »Vertraut mir ruhig«, erwiderte die Edeldame, »was Euch immer gefällt. Gewiß werdet Ihr nie von mir betrogen werden.« Darauf erzählte ihr denn die Gräfin auf so herzbewegende Weise, wer sie sei und was sich alles zugetragen habe, seit sie sich zuerst in den Grafen verliebte, daß die Edeldame, welche diese Begebenheit zum Teil schon von ändern gehört hatte, ihren Worten Glauben schenkte und sie zu bemitleiden begann.
    Als die Gräfin mit ihrer Erzählung zu Ende war, fuhr sie fort: »Ihr habt gehört, was für zwei Dinge ich zu meinem übrigen Unglück besitzen muß, wenn ich meinen Gatten erlangen will. Ist es nun wahr, was ich vernehme, daß der Graf Euer Tochter auf das zärtlichste liebt, so sehe ich ein, daß niemand außer Euch mir diese Dinge verschaffen kann.« Die Edeldame antwortete ihr: »Madonna, ob der Graf meine Tochter liebt, das weiß ich nicht, aber sein Benehmen ist ganz danach. Was kann ich aber deshalb tun, um Euch zu verschaffen, was Ihr wünschet?« »Madonna«, erwiderte die Gräfin, »gleich will ich es sagen. Zuvor aber sollt Ihr hören, was für ein Vorteil Euch daraus erwachsen wird, wenn Ihr mir hierin dienet. Ich sehe, Eure Tochter ist schön und alt genug zum Heiraten. Auch muß ich aus dem, was ich gehört habe und selbst zu bemerken glaube, schließen, daß Ihr sie nur aus Mangel an einer anständigen Ausstattung noch im Hause behaltet. So denke ich denn zum Dank für den Dienst, den Ihr mir leisten sollt, Eurer Tochter von meinem Gelde eine Mitgift auszusetzen, wie Ihr selbst sie für angemessen halten werdet, um sie ehrenvoll zu vermählen.« Der Dame, die in dürftigen Umständen lebte, gefiel das Anerbieten sehr. Dennoch aber antwortete sie ihrer adeligen Gesinnung zufolge: »Madonna, sagt mir, was ich für Euch tun kann. Ziemt es sich für mich, so soll es gern geschehen, und Ihr mögt nachher tun, was Euch belieben wird.«
    Darauf sagte die Gräfin: »Zu meinen Absichten ist es nötig, daß Ihr durch jemanden, auf den Ihr Euch verlassen könnt, dem Grafen, meinem Gatten, sagen laßt, Eure Tochter sei gesonnen, ihm allen Willen zu tun, wenn sie nur gewiß sei, daß er sie wirklich so liebhabe, wie er vorgibt. Das könne sie aber nur glauben, wenn er ihr den Ring schicke, den er immer am Finger trage und der ihm, wie sie gehört habe, so teuer sei. Schickt er ihr den Ring, so werdet Ihr ihn mir geben und dem Grafen sagen lassen, daß Eure Tochter bereit sei, alle seine Wünsche zu erfüllen. Dann müßt Ihr ihn heimlich hierher kommen lassen und mich, ohne daß er es bemerkt, statt Eurer Tochter ihm zur Seite legen. Vielleicht gewährt mir Gott die Gnade, daß ich von ihm empfange.
    Dann werde ich, seinen Ring am Finger und sein Kind auf dem Arm, ihn wiedergewinnen und mit ihm leben können, wie es Mann und Frau geziemt, und das werde ich dann Euch verdanken.«
    Der Edeldame schien dies ein

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