Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
Ufer stieß, dort ein armes Weib am Strande, das die zum Trocknen ausgebreiteten Netze der Schiffer, deren Magd sie war, wieder auflas. Als die Alte den Kahn erblickte, wunderte sie sich, daß man ihn mit aufgezogenem Segel habe ans Land laufen lassen. Da sie jedoch vermutete, daß die Fischer darin schliefen, ging sie hin, um sie aufzuwecken. Sie fand aber niemand als das Mädchen, das in festem Schlafe lag und erst nach vielem Rufen wieder zu sich kam.
    Inzwischen hatte das Fischerweib Costanza schon an ihren Kleidern als Christin erkannt und fragte deshalb auf italienisch, wie sie so allein in dem Nachen angekommen sei. Als das Mädchen die italienischen Worte vernahm, fürchtete es, der Wind möchte sich gedreht und sie nach Lipari zurückgeführt haben. Schnell richtete sie sich auf, blickte umher, und als sie sich am Lande sah und dennoch die Gegend nicht kannte, fragte sie das gute Weib, wo sie denn sei. »Meine Tochter, du bist nicht weit von Susa in der Berberei«, entgegnete die Alte.
    Costanza betrübte sich bei dieser Nachricht sehr, daß Gott ihr nicht den Tod hatte senden wollen. Zugleich fürchtete sie sich aber auch vor Schande, setzte sich völlig ratlos bei ihrem Kahn nieder und weinte. Die gute Alte erbarmte dieser Anblick, und sie redete dem Mädchen zu, bis dieses ihr in ihre kleine Hütte folgte und ihr dort nach vielem Bitten erzählte, auf welche Weise es an jenes Ufer gekommen war. Da sie nun durch diese Erzählung erfuhr, jene sei noch nüchtern, trug sie ihr von ihrem harten Brote und ein wenig Fisch und Wasser auf und brachte es durch langes Zureden endlich dahin, daß sie ein wenig davon zu sich nahm. Dann fragte Costanza, wer sie sei, daß sie so gut italienisch rede. Diese antwortete, sie sei von Trapani, heiße Carapresa und diene hier einigen christlichen Fischern. So betrübt Costanza war und sowenig sie selbst sich über das Gefühl Rechenschaft zu geben vermochte, nahm sie doch den Namen Carapresa, sobald sie ihn gehört hatte, für ein gutes Zeichen, fing, ohne zu wissen worauf, doch wieder zu hoffen an und ließ in ihrem Todesverlangen ein wenig nach. Dem guten Weibe entdeckte sie indes weder ihren Namen noch den Ort, von dem sie kam, sondern bat sie nur auf das herzlichste, um Gottes willen Erbarmen mit ihrer Jugend zu haben und ihr Rat zu geben, wie sie der Schande entgehen könne, der sie in diesem Lande ausgesetzt sei.
    Carapresa, die ein wackeres Weib war, ging nach diesen Worten, während das Mädchen in der Hütte blieb, schnell die Netze heimzuholen und führte dann Costanza, die sich ganz in einen Mantel der Alten einhüllen mußte, nach Susa. Hier angelangt, sagte sie: »Costanza, ich werde dich in das Haus einer trefflichen Sarazenin bringen, die mir oft allerhand Besorgungen aufträgt. Sie ist alt und mitleidigen Gemüts. Ihr werde ich dich empfehlen, so sehr ich nur weiß und kann, und ich bin gewiß, daß sie dich mit Freuden aufnehmen und wie eine Tochter behandeln wird. Du aber mußt dich, solange du bei ihr bleiben wirst, nach Kräften bemühen, ihre Zuneigung durch deine Dienste zu gewinnen, bis Gott dir einst ein besseres Los bereitet.« Das gute Weib tat, wie es gesagt. Als die Sarazenin, die nachgerade bei Jahren war, ihre Worte vernommen hatte, betrachtete sie die Züge des Mädchens und begann zu weinen. Dann küßte sie Costanzas Stirn, ergriff sie bei der Hand und führte sie in ihr Haus ein, in welchem sie mit mehreren ändern Frauenzimmern ohne männliche Gesellschaft wohnte und gemeinschaftlich mit jenen mancherlei Handarbeiten in Seide, Palmblättern und Leder verfertigte. In wenigen Tagen eignete sich das Mädchen diese Fertigkeiten an, so daß sie an den Arbeiten der übrigen teilnehmen konnte, und nicht allein gewann sie die Zuneigung und die herzliche Liebe der ändern in erstaunlichem Maße, sondern sie lernte auch, von ihren Gefährtinnen unterwiesen, in kurzer Zeit die Sprache des Landes.
    Während nun das Mädchen, das man inzwischen in Lipari schon als verloren und gestorben beweint hatte, noch in Susa verweilte, geschah es, daß ein junger Fürst von Granada, der große eigene Mittel und eine angesehene Verwandtschaft besaß, unter dem Vorwand, daß das Königreich Tunis ihm zukomme, ein sehr zahlreiches Heer rüstete und mit diesem den damals regierenden König von Tunis, der Mariabdela hieß, kriegerisch überzog, um ihn aus seinem Reiche zu vertreiben. Als diese Kunde dem Martuccio Gomito, der die Sprache der Berber wohl verstand, in

Weitere Kostenlose Bücher