Das Dekameron
seinem Gefängnis zu Ohren kam, und als er vernahm, welche große Zurüstungen der König von Tunis zu seiner Verteidigung machte, sagte er zu einem der Leute, die ihn und seine Leidensgenossen bewachten: »Könnte ich nur mit dem König reden, so getraute ich mich wohl, ihm einen Rat zu geben, der ihn zum Sieger in diesem Kriege machen sollte.«
Der Gefangenenwärter sagte diese Worte seinem Befehlshaber, und dieser berichtete sie alsbald dem König. Der König aber befahl, daß Martuccio deswegen vor ihn gebracht werde, und fragte ihn alsdann, was für einen Rat er zu erteilen habe. »Herr«, erwiderte dieser, »habe ich zu ändern Zeiten, als ich mich hier in Eurem Lande umtat, Eure Art zu kämpfen wohl begriffen, so wendet Ihr in Euren Schlachten die Bogenschützen mehr als irgendeine andere Waffe an. Könnte man also ein Mittel ausfindig machen, daß die Schützen Eures Feindes Mangel an Pfeilen litten, während die Eurigen noch hinreichend damit versehen wären, so meine ich, müßte diese Schlacht für Euch gewonnen werden.« »Ohne Zweifel«, entgegnete der König, »hielte ich, wenn sich das bewerkstelligen ließe, mich des Sieges für gewiß.« Darauf antwortete Martuccio: »Mein Gebieter, wenn Ihr wollt, so läßt sich das allerdings erreichen, und vernehmt nur, wie: Ihr müßt für Eure Schützen die Bogensehnen um vieles dünner machen lassen, als sie sonst allgemein gebräuchlich sind. Dazu laßt Ihr dann Pfeile anfertigen, deren Kerben sich nur bei so dünnen Sehnen gebrauchen lassen. Das alles muß aber so geheim geschehen, daß Eurem Feinde nichts davon zu Ohren kommt und er daher keine Vorkehrungen treffen kann. Der Zweck aber, den ich durch diese Anstalten erreichen will, ist folgender: Wenn die Schützen Eures Feindes ihre Pfeile abgeschossen haben werden und ebenso Eure die ihrigen, müssen, wie Ihr wißt, im weiteren Verlauf der Schlacht die Feinde die Geschosse aufsammeln, welche die Eurigen versandt haben, und dagegen die Eurigen die Pfeile der Feinde. Dann aber werden Eure Gegner die Pfeile, welche die Euren abgeschossen haben, nicht gebrauchen können, weil die dicken Sehnen ihrer Bogen die kleinen Kerben Eurer Pfeile nicht zu fassen imstande sind, während umgekehrt den Eurigen bei ihren feinen Sehnen die weitgekerbten Pfeile des Feindes treffliche Dienste leisten werden. So werden dann also Eure Schützen reichliches Geschoß haben, während die ändern schon vollkommenen Mangel daran leiden.«
Dem König, der ein verständiger Herr war, leuchtete der Rat des Martuccio ein, und in der Tat trug er durch dessen genaue Befolgung den Sieg über seine Feinde davon. Natürlich gelangte Martuccio dadurch in seine besondere Gunst und gewann Ansehen und Reichtümer.
Das Gerücht von diesen Ereignissen ging durch das Land, und auch zu Costanzas Ohren kam die Nachricht, daß Martuccio, den sie lange tot geglaubt hatte, noch am Leben sei. Da entzündete sich die Liebe für ihn, die schon in ihrem Herzen minder heftig zu brennen begonnen hatte, plötzlich zu neuen, gewaltigen Flammen und erweckte die schon verblichene Hoffnung aus ihrem Todesschlummer. Deshalb entschloß sie sich, der trefflichen Frau, bei der sie wohnte, ihr ganzes Schicksal zu erzählen, und sagte ihr dabei, wie sie nach Tunis zu reisen wünsche, um dort die Augen an dem Anblick zu sättigen, zu dem durch die vernommene Kunde die Ohren ihr Verlangen aufs neue geweckt hätten. Die wackere Dame billigte ihren Entschluß, machte sich mit der Sorgsamkeit einer Mutter zu Schiff mit ihr nach Tunis auf den Weg, und dort wurden beide im Hause einer Verwandten ehrenvoll aufgenommen.
Kaum angelangt, sandte Costanza die Carapresa aus, von der sie sich ebenfalls hatte begleiten lassen, um Nachrichten über Martuccio einzuziehen. Als nun diese schnell die Kunde von seinem Leben und dem großen Ansehen, in dem er stand, zurückbrachte, ließ die edle Sarazenin es sich nicht nehmen, dem Martuccio die erste Nachricht zu geben, daß seine Costanza nach Tunis gekommen sei, um ihn zu suchen. So ging sie denn eines Tages in die Wohnung des jungen Mannes und sagte zu ihm: »Martuccio, einer von deinen Dienern aus Lipari ist bei mir eingekehrt und wünscht insgeheim mit dir zu reden. Und weil ich, seinen Wünschen gemäß, es niemand anderm anvertrauen wollte, bin ich selbst gekommen, um dir die Nachricht zu bringen.« Martuccio dankte ihr für ihre Gefälligkeit und suchte sie bald danach in ihrer Wohnung auf. Als das Mädchen den Geliebten
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