Das Dekameron
bereitete das Glück, als wäre ihm das Unrecht, das es dem Kimon so plötzlich angetan hatte, wieder leid geworden, ein neues Ereignis zu seiner Rettung vor. Pasimundas hatte einen zwar an Jahren, aber nicht an Trefflichkeit geringeren Bruder, der Hormisdas hieß und sich lange Zeit um die Hand eines schönen und adeligen Mädchens jener Stadt, das Kassandra hieß und Lysimachos auf das feurigste liebte, beworben hatte; doch war die Verlobung um verschiedener Umstände willen schon mehrfach rückgängig gemacht worden. Wie nun Pasimundas das große Fest überdachte, mit dem er seine Hochzeit würde feiern müssen, hielt er es für ratsam, den Hormisdas gleichfalls heiraten zu lassen, um ähnlichen Kosten und Gastereien für die Zukunft zu entgehen. Zu diesem Zwecke nahm er die Verhandlung mit Kassandras Eltern wieder auf und führte sie so weit zum Ziele, daß am selben Tag, an dem er sich mit Iphigenie verbände, auch Hormisdas seine Hochzeit mit Kassandra feiern sollte.
Dem Lysimachos mißfiel dieser Entschluß, der ihm alle seine Hoffnungen zu rauben schien, ausnehmend, denn er hatte bisher immer gedacht, wenn Hormisdas sie nicht erhalte, werde sie ihm noch zuteil werden. Verständig aber, wie er war, verbarg er seinen Unmut und dachte vielmehr darüber nach, wie er die Ausführung jener Pläne vielleicht noch hindern könne, doch wußte er keinen möglichen Ausweg zu erkennen als den, sie zu rauben. Dies zu tun, schien ihm freilich vermöge seines Amtes besonders leicht; auf der ändern Seite dünkte es ihn aber gerade wegen jener Würde desto unschicklicher. Endlich trug indes nach langem innerem Kampfe die Liebe den Sieg über die Schicklichkeit davon, und er beschloß, was immer daraus entstehen möchte, Kassandra zu rauben.
Während er noch über die Gehilfen, die er sich erwählen mußte, und über die Art der Ausführung nachdachte, erinnerte er sich des Kimon, den er mit seinen Gefährten im Gefängnis hielt, und es leuchtete ihm ein, daß er in dieser Angelegenheit keinen besseren und treueren Gehilfen als eben den Kimon finden könnte. Er ließ ihn daher in der nächsten Nacht heimlich in sein Zimmer rufen und begann folgendermaßen zu ihm zu sprechen: »Kimon, wie die Götter ihre Gaben gütig und freigebig unter den Menschen verteilen, so wissen sie auch die Tugenden der Sterblichen auf das genaueste zu prüfen und würdigen alsdann diejenigen, die sie bei allen Wechselfällen des Schicksals standhaft und unerschütterlich finden, ihres höheren Wertes wegen auch der Gelegenheit, sich noch höhere Verdienste zu erwerben. Auch von deinen Tugenden haben sie gewichtigere Proben verlangt, als du innerhalb der Mauern deines väterlichen Hauses, das, wie ich hörte, an Reichtümern Überfluß hat, deren abzulegen imstande gewesen wärest. Zu Anfang haben sie dich, wie man sagt, durch die Stachel der Liebe vom unvernünftigen Tiere zum Menschen gemacht. Dann aber prüften sie, ob zuerst die Unglücksfälle und nun der plagende Kerker deinen Mut im Vergleich zu der Zeit, wo du für wenige Augenblicke deiner gewonnenen Beute froh warst, herabstimmen konnten. Bist du aber noch der, welcher du warst, so sind sie jetzt bereit, dir etwas zu schenken, wogegen alles, was sie dir bisher gewährten, verblaßt. Und was dies ist, das will ich dir jetzt sagen, damit du deine gewohnte Kraft wiedergewinnst und guten Mutes wirst. Wisse, derselbe Pasimundas, dessen höchste Freude dein Unglück ist, beschleunigt jetzt, so sehr er kann, seine Verbindung mit deiner Iphigenie, um der Beute froh zu werden, die das Glück dir erst freundlich gewährt hatte, um sie dir dann im schnellen Wechsel seiner Laune wieder wegzunehmen. Wie sehr dich das aber schmerzen muß, wenn anders du so liebst, wie ich es annehme, das empfinde ich an mir selbst; denn Hormisdas, des Pasimundas Bruder, will mir bei Kassandra, die ich über alles liebe, am selben Tage die gleiche Kränkung antun. Um nun so hartem Geschick und so schwerem Unrecht zu entgehen, hat das Glück uns, wie mir scheint, nur den einen Weg offen gelassen, den die Tapferkeit, unser Mut und unser Schwert, dir zum zweiten, mir zum ersten Raube unserer beiderseitigen Damen bahnen soll. Ist dir also deine Dame lieb - ich sage nicht deine Freiheit, denn ich vermute, daß dir ohne den Besitz Iphigeniens an jener wenig gelegen ist -, so haben jetzt die Götter dein Schicksal in deine eigenen Hände gelegt, wenn du dich meinem Unternehmen anschließen willst.«
Diese Worte gaben dem
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