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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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den gleichen Liebesflammen entbrannt, verzehrten, als wenn er alle Umstände absichtlich zu diesem Zwecke herbeigeführt hätte, Mittel und Wege zu finden, durch welche sie über die scheue Furcht, die sie befangen machte, hinwegkamen.
    Messer Amerigo hatte, kaum eine Meile von der Stadt entfernt, eine gar schöne Besitzung, welche seine Gattin mit ihrer Tochter und mit anderen Damen oft zur Erholung zu besuchen pflegte. Eines Tages nun, als sie den Pietro mitgenommen hatten und dort verweilten, traf es sich, wie wir es häufig im Sommer geschehen sehen, daß der Himmel sich plötzlich mit finsteren Wolken umzog. Um von dem Unwetter nicht dort draußen überfallen zu werden, machte die Dame sich mit ihrer Gesellschaft, so rasch sie nur konnte, auf den Rückweg nach Trapani. Pietro und das Mädchen aber überholten, weil sie beide jung waren, die Mutter und die anderen Gefährtinnen, die bei ihr blieben, um vieles, und vielleicht war es ebensowohl die Liebe als die Furcht vor dem Gewitter, welche ihre Schritte beflügelte.
    Schon waren die beiden jungen Leute der übrigen Gesellschaft so weit voraus, daß sie kaum mehr gesehen werden konnten, als es so heftig zu donnern und ein so dichter und schwerer Hagel zu fallen begann, daß die Dame mit ihrer Begleitung nur eben noch imstande war, sich in ein Bauernhaus zu flüchten. Pietro und das Mädchen aber suchten, weil sie in der Eile keinen ändern Zufluchtsort finden konnten, Schutz in einem alten und fast ganz verfallenen Hause, das von niemand mehr bewohnt wurde. Das Dach dieses Hauses war so beschädigt, daß nur ein kleiner Teil davon noch vorhanden war und die beiden jungen Leute, die sich unter diesen Rest flüchteten, durch die Enge des geschützten Raumes einander zu berühren genötigt waren.
    So nahe Berührung ermutigte die Liebenden, sich ihre liebevollen Wünsche zu gestehen, und Pietro begann zuerst: »Wollte nur Gott, daß dieser Hagel nie ein Ende nähme, wenn ich, solange er dauert, so wie jetzt bleiben dürfte.« »Ach, das wäre ich wohl auch zufrieden«, sagte darauf das Mädchen, und von solchen Reden gingen sie dazu über, einander bei der Hand zu nehmen und zu drücken, dann umarmten und küßten sie sich, und derweil hagelte es noch immerfort. Um aber nicht alle Einzelheiten zu erzählen, sage ich nur: das Wetter heiterte sich nicht eher auf, als bis sie einander die höchsten Freuden der Liebe gelehrt und sich auch schon verabredet hatten, wie sie sich in Zukunft miteinander erfreuen wollten.
    Nachdem sich das schlechte Wetter verzogen hatte, warteten die beiden jungen Leute am Eingang der Stadt, bis wohin sie nicht mehr weit hatten, die Mutter ab und gingen mit ihr nach Hause. Hier kamen sie später unter wohlgetroffenen Vorsichtsmaßregeln und zu ihrer großen Lust mehr als einmal ganz im Verborgenen zusammen, und so geschah es am Ende, daß das Mädchen schwanger wurde. Das war nun beiden Teilen freilich alles andere als lieb, weshalb sie es denn auch nicht an allerhand Mitteln fehlen ließen, damit Violante gegen die Ordnung der Natur ihrer Leibesfrucht ledig werde; doch alles blieb umsonst. Da glaubte sich nun Pietro seines Lebens nicht mehr sicher und sagte zu seiner Geliebten, daß er zu fliehen gedenke. Sie aber antwortete ihm: »Wenn du mich verläßt, werde ich mir ein Leid antun.« Pietro war dem Mädchen von ganzer Seele gut und sagte: »Liebes Herz, wie kannst du nur wollen, daß ich bleiben soll? Deine Schwangerschaft wird unseren Fehltritt ans Licht bringen. Du erhältst dann wohl leichter Vergebung, ich Armer aber werde zugleich für deine und meine Schuld die Buße tragen müssen.« Das Mädchen erwiderte: »Pietro, mein Vergehen wird freilich an den Tag kommen. Das deinige aber, verlasse dich darauf, soll gewiß niemand erfahren, dem du es nicht selbst sagst.« »Wohlan denn«, entgegnete Pietro, »weil du mir das gelobst, so will ich bleiben. Denke mir aber an dieses Versprechen.«
    Obgleich das arme Mädchen seinen Zustand verborgen gehalten hatte, solange es nur immer möglich gewesen war, fühlte es am Ende selbst, daß das Anschwellen des Leibes fernere Heimlichkeit unmöglich machte, und gestand eines Tages unter tausend Tränen und Bitten um Erbarmen der Mutter den Zustand, in dem es sich befand. Die Mutter kannte sich kaum vor Zorn und verlangte mit den härtesten Worten, daß sie ihr gestehen solle, wie alles sich zugetragen. Um indes ihrem Pietro keine Ungelegenheiten zu bereiten, erfand sich das Mädchen eine Fabel,

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