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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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die es der guten Dame statt der Wahrheit aufband. Diese glaubte auch wirklich, was ihr erzählt wurde, und schickte die Tochter, um ihren Fehltritt geheimzuhalten, fort auf eines ihrer Güter.
    Als nun aber die Zeit der Niederkunft herangekommen war und die Wöchnerin eben in den Wehen schrie, traf es sich, daß in einem Augenblick, wo die Mutter sich dessen am wenigsten versah, Messer Amerigo, der dieses Landhaus bis dahin fast noch niemals besucht hatte, bei der Heimkehr vom Vogelstellen an dem Zimmer vorüberritt, wo seine Tochter kreißend lag, und voll Erstaunen über ihr Geschrei plötzlich eintrat, um nach der Ursache zu fragen. Als die Mutter sich so von ihrem Gatten überrascht sah, erhob sie sich betroffen und erzählte ihm, was sich mit ihrer Tochter zugetragen. Messer Amerigo aber antwortete, minder leichtgläubig als seine Frau es gewesen war, es könne nicht an dem sein, daß das Mädchen nicht wissen sollte, von wem es schwanger sei. Er verlange durchaus die Wahrheit zu wissen, aufrichtiges Bekenntnis sei das einzige Mittel zur Verzeihung. Ohne das könne sie sicher sein, daß sie ohne Barmherzigkeit sterben müsse. Zwar gab die Mutter sich alle Mühe, ihrem Mann die Fabel, die sie ihm erzählt hatte, einzureden, doch half ihr das zu nichts. Vielmehr stürzte er im höchsten Zorn mit bloßem Degen über das Mädchen her, welches, während ihn die Mutter noch mit Worten hingehalten, von einem Knaben entbunden worden war, und rief: »Gestehe, wer des Kindes Vater ist, oder stirb auf der Stelle!« Da machte die Todesfurcht Violante wortbrüchig gegen ihren Pietro, und sie bekannte alles, was zwischen ihm und ihr vorgefallen war.
    Der Ritter geriet bei diesem Bericht in so unmäßige Wut, daß er sich kaum enthalten konnte, die Tochter umzubringen. Als er ihr aber alles gesagt hatte, was der Zorn ihm eingab, ritt er eilig nach Trapani zurück und verklagte den Pietro bei Messer Currado, dem königlichen Hauptmann, wegen des Schimpfes, den jener ihm angetan. Der Hauptmann ließ Pietro, der auf nichts dergleichen gefaßt war, alsbald gefangennehmen und brachte ihn auf der Folter schnell zum völligen Geständnis, worauf er nach wenigen Tagen verurteilt ward, erst durch die ganze Stadt gepeitscht und dann gehängt zu werden.
    Damit nun dieselbe Stunde dem Leben der beiden Liebenden und dem ihres Kindes ein Ende mache, mischte Messer Amerigo, dessen Zorn durch das Todesurteil, das er dem Pietro bereitet, noch nicht abgekühlt war, Gift und Wein in einem Becher zusammen. Dann gab er ihn nebst einem blanken Dolch und mit folgenden Worten einem seiner Diener: »Gehe mit diesen Dingen zu Violante und sage ihr in meinem Namen, sie solle sich schnell zu einer von diesen beiden Todesarten, Dolch oder Gift, entschließen. Widrigenfalls ließe ich sie, wie sie es verdient hat, angesichts aller Einwohner unserer Stadt verbrennen. Wenn du das besorgt hast, nimm den Knaben, den sie vor wenigen Tagen zur Welt gebracht, schleudere ihn mit dem Schädel an die Wand und wirf ihn dann den Hunden zum Fräße vor.« Diesen grausamen Befehl des lieblosen Vaters nahm der Diener nicht eben mit milderer Gesinnung entgegen und machte sich auf den Weg.
    Während inzwischen der zum Tode verurteilte Pietro zum Galgen gepeitscht wurde, kam er, weil die Henkersknechte an der Spitze des Zuges ihn so führten, zufällig an einem Gasthaus vorbei, in welchem drei Edelleute aus Armenien wohnten. Es waren nämlich diese drei vom König von Armenien als Gesandte nach Rom geschickt worden, um mit dem Papst wegen eines neu zu unternehmenden Kreuzzuges wichtige Angelegenheiten zu verhandeln. Jetzt aber hatten sie sich einige Tage in Trapani aufgehalten, um sich auszuruhen und zu stärken, und waren von den vornehmeren Einwohnern der Stadt, besonders aber von Messer Amerigo, auf das ehrenvollste aufgenommen und bewirtet worden.
    Als nun die drei Edelleute den Zug vorübergehen hörten, in dem Pietro gebracht ward, traten sie ans Fenster, um zuzusehen. Pietro war vom Gürtel an völlig entkleidet und hatte die Hände auf den Rücken gebunden, und so konnte denn der eine dieser drei Gesandten, der Phineus hieß und ein bejahrter Mann von großem Ansehen war, auf des jungen Mannes Brust deutlich einen großen brennend roten Fleck wahrnehmen, der nicht von vorübergehender Färbung herrührte, sondern von Natur aus der Haut selbst innewohnte, der mit ändern Worten ein Muttermal war, wie wir es nennen. Beim ersten Anblick dieses Males gedachte Phineus

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