Das Dekameron
Während er nun, von allzu großer Lust hingerissen, etwas unvorsichtig mit ihr scherzte, geschah es, daß der Abt, der inzwischen aufgestanden war und leise an der Zelle unseres Mönchs vorüberging, das Geflüster dieser beiden vernahm. Um die Stimmen besser zu unterscheiden, näherte er sich behutsam der Zellentür, und als er nun deutlich erkannte, daß ein Weib drinnen sei, war er im Begriff, Einlaß zu fordern. Dann beschloß er aber, es anders damit zu halten, und kehrte in sein Gemach zurück, um dort zu warten, bis der Mönch herauskäme.
Obgleich dieser inzwischen in dem Genüsse des Mädchens das höchste Behagen gefunden, hatte ihn doch die Angst niemals verlassen, und da es ihm so vorgekommen war^ als hörte er vom Schlafsaal her Tritte, so legte er das Auge an eine kleine Öffnung in der Tür und sah deutlich den Abt dastehen und ihn belauschen. Er begriff nun leicht, der Abt werde innegeworden sein, daß er das Mädchen bei sich habe, und da die schwere Strafe, die darauf stand, ihm nicht unbekannt war, wurde er sehr betrübt. Ohne indes dem Mädchen seine Besorgnisse zu zeigen, dachte er schnell hin und wider, ob sich nicht irgendein Rettungsmittel finden ließe, und in der Tat fiel ihm eine wohlersonnene List ein, die sicher zum gewünschten Ziel zu führen versprach. Er tat nämlich, als habe er sich zur Genüge an dem Mädchen ergötzt, und sagte zu ihm: »Ich gehe, um auszukundschaften, wie ich dich ungesehen herausschaffen kann. Halte dich also ruhig, bis ich wiederkomme.« Dann schloß er seine Zelle zu, ging geradewegs in das Zimmer des Abtes und sagte diesem, indem er wie jeder Mönch, der ausging, seinen Schlüssel übergab, mit unbefangener Miene: »Hochwürden, heute morgen konnte ich nicht alles Holz hereinschaffen, das ich hatte schlagen lassen, und möchte nun mit Eurer Erlaubnis in den Wald gehen, um das übrige zu holen.« In der Meinung, der Mönch wisse nicht, daß er von ihm belauscht worden sei, war der Abt zufrieden, daß es so kam, beurlaubte jenen willig und nahm den Schlüssel, um den Fehltritt, den der Mönch begangen hatte, genau zu erforschen.
Sobald er sich allein sah, fing er zu überlegen an, ob er in Gegenwart aller Mönche die Zelle des Gefallenen öffnen und ihnen so das Verbrechen kundtun sollte, damit sie nicht etwa nachher, wenn er den Mönch bestrafte, sich über ihn beschweren könnten, oder ob er sich lieber vorher von dem Frauenzimmer den Hergang des Handels erzählen lassen sollte. Und weil er bedachte, es könnte am Ende die Frau oder die Tochter eines Mannes sein, dem er die Schande, sie vor allen Mönchen bloßzustellen, nicht gern angetan haben möchte, entschloß er sich, erst zu sehen, wer es sei, und dann das Weitere zu überlegen. So ging er denn in aller Stille nach der Zelle, öffnete die Tür, trat ein und schloß hinter sich wieder zu. Als das Mädchen den Abt eintreten sah, wurde es fast ohnmächtig und fing vor Scham und Furcht zu weinen an. Der hochwürdige Herr aber fühlte beim Anblick des Mädchens, das er hübsch und jung fand, so alt er auch war, die fleischlichen Gelüste nicht minder lebhaft, als sein junger Mönch sie empfunden hatte. »Wahrhaftig«, sprach er zu sich selbst, »warum sollte ich mir nicht ein Vergnügen gönnen, wenn ich es haben kann? Ärger und Verdruß sind, wie ich meine, immer vorrätig, wenn man danach verlangt. Die hübsche Dirne hier ist im Kloster, ohne daß ein Mensch es weiß. Kann ich's dahin bringen, daß sie mir zu Willen ist, so weiß ich nicht, warum ich's lassen sollte. Wer wird es denn erfahren? Gewiß niemand. Und - heimliche Sünde büßt man geschwinde. Solche Gelegenheit gibt es nicht leicht wieder, und ich denke, es ist weise, das Glück wahrzunehmen, das unser Herrgott einem zuschickt.«
Unter diesen Gedanken hatte er den Entschluß, mit dem er gekommen war, völlig umgestoßen, machte sich nun an das Mädchen heran, begann ihm freundlich zuzureden und bat es, nicht mehr zu weinen. So gab ein Wort das andere, und endlich kam es dazu, daß er sein Verlangen geradezu gestand. Das Mädchen war weder von Diamant noch von Stahl und gab den Wünschen des Abtes schnell genug nach. Dieser umarmte und küßte es einige Male und legte sich dann auf das Bett unseres Mönchs. War es mit Rücksicht auf die hohe Würde, die schwer auf ihm lastete, und auf das zarte Alter des Mädchens, oder fürchtete er vielleicht, ihm durch das Gewicht seines Körpers beschwerlich zu fallen, genug, er legte sich nicht auf
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