Das Dekameron
Stadtrechts.
Fiammetta schwieg, und noch lachte jeder über den wunderlichen Grund, durch welchen Scalza den Adel der Baronci über den aller ändern erhoben hatte, als die Königin dem Filostrato zu erzählen gebot. Dieser begann also zu reden:
Gut reden zu können, ihr ehrenwerten Damen, ist bei jeder Gelegenheit ein schönes Ding, am schönsten aber dünkt mich diese Redegabe, wenn sie sich da bewährt, wo die Notwendigkeit sie dringend erfordert. Dies Geschick besaß eine Edelfrau, von der ich euch zu erzählen gedenke, in solchem Maße, daß sie nicht nur in ihren Zuhörern Lachen und Heiterkeit erweckte, sondern, wie ihr vernehmen werdet, sich selbst aus den Schlingen eines schimpflichen Todes befreite.
In der Stadt Prato bestand einst das in Wahrheit ebenso grausame wie tadelnswerte Gesetz, daß eine Ehefrau, die ihr Gatte im Ehebruch mit einem Geliebten antraf, ohne den geringsten Unterschied genau so verbrannt werden sollte wie diejenige, welche dabei ertappt wurde, daß sie sich dem ersten besten für Geld preisgab. Während dieses Gesetz noch in Kraft war, geschah es, daß eine adelige und schöne Frau, die Madonna Filippa hieß und verliebter war als irgendeine andere, eines Nachts in ihrem eigenen Schlafgemach von Rinaldo dei Pugliesi, ihrem Gatten, in den Armen des Lazzarino de Guazzagliotri, eines jungen und schönen Edelmannes aus derselben Stadt, gefunden wurde, den sie liebte wie ihr eigenes Leben. Bei diesem Anblick geriet Rinaldo so außer sich, daß er sich kaum bezwingen konnte, nicht über sie herzufallen und sie zu töten; und wäre er nicht wegen der Folgen besorgt gewesen, so hätte er dem Ungestüm seines Zornes gehorcht und also getan. So enthielt er sich zwar dieses Verlangens, begehrte aber statt dessen von dem grausamen Prateser Gesetze den Tod seiner Frau, den zu vollstrecken ihm selbst verboten war.
Da er nun ein ziemlich ausreichendes Zeugnis hatte, um den Fehltritt seiner Frau zu beweisen, verklagte er sie, ohne besseren Rat anzunehmen, sobald es Tag geworden war, und ließ sie vor das Gericht fordern. Die Frau, die gar kühnen Mutes war, wie man dies bei allen zu finden pflegt, die in wahrhafter Liebe entbrannt sind, beharrte, so nachdrücklich ihr auch von vielen Freunden und Verwandten abgeraten wurde, auf ihrem Vorsatz, zu erscheinen und lieber mit dem Geständnis der Wahrheit starken Geistes zu sterben, als nach feiger Flucht in der Verbannung zu leben und sich dadurch eines so edlen Geliebten unwert zu erweisen, wie es der war, in dessen Armen sie die vorige Nacht verlebt hatte.
Sie erschien also mit einem stattlichen Gefolge von Damen und Männern, die ihr alle zu leugnen rieten, vor dem Podesta und fragte diesen mit furchtlosem Blick und fester Stimme, was er von ihr begehre. Als der Podesta sie ins Auge faßte und gewahrte, wie schön sie war und wieviel edlen Anstand sie besaß, und als er ihren Worten zugleich entnahm, welch hohen Sinn sie hegte, fing er an, Mitleid mit ihr zu empfinden und sich zu sorgen, daß sie Dinge bekennen möchte, um derentwillen er durch seine Ehre genötigt wäre, sie zum Tode zu verurteilen. Deshalb sagte er zu ihr, da er doch nicht umhin konnte, sie über das zu befragen, dessen man sie beschuldigte: »Madonna, wie Ihr seht, ist Rinaldo, Euer Gatte, hier anwesend und beklagt sich über Euch, die er mit einem ändern Manne im Ehebruch betroffen zu haben behauptet. Er begehrt nun, daß ich Euch, einem bestehenden Gesetze zufolge, dafür mit dem Tode bestrafe. Ich kann dies aber nur dann tun, wenn Ihr selbst Euch schuldig bekennt. Habt denn also wohl acht, wie Ihr antwortet, und sagt mir, ob das wahr ist, dessen Euer Gatte Euch beschuldigt.«
Hierauf antwortete die Dame, ohne die Fassung im geringsten zu verlieren, mit heiterer Stimme: »Messer, es ist vollkommen wahr, daß Rinaldo mein Ehemann ist und mich in der vergangenen Nacht in Lazzarinos Armen gefunden hat, in denen ich, wie ich niemals leugnen werde, aus wahrer und inniger Liebe, die ich für ihn hege, oftmals geweilt habe. Nun wißt Ihr aber auch, daß die Gesetze gemeinsam sein und unter Zustimmung derer beschlossen werden müssen, die sie betreffen. So verhält es sich aber nicht mit diesem Gesetze, das allein den armen Weibern Zwang auferlegt, obwohl sie doch weit besser als die Männer mehreren zugleich zu genügen imstande sind. Außerdem hat, als dieses Gesetz erlassen wurde, weder eine Frau ihre Einwilligung dazu gegeben, noch ist auch nur eine darum befragt worden. Mit
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