Das Dekameron
gesagt, nicht das mindeste. Gehöre nur immer dem an, dem du gehörtest, wenn du es fernerhin kannst. Ich aber liebe ihn, wie ich ihn einst haßte, weil er nun so gegen dich gehandelt hat. Ihr Weiber verliebt euch und begehrt die Liebe der Jünglinge, weil ihr sie vielleicht mit etwas lebhafterer Gesichtsfarbe und schwärzerem Bart selbstzufrieden einherschreiten, tanzen und turnieren seht. All dies aber besaßen auch diejenigen, die nun etwas älter geworden sind, und überdies wissen sie schon, was jene noch zu lernen haben. Ihr haltet sie für bessere Ritter und glaubt, daß sie mehr Meilen am Tag zurücklegen als die gereifteren Männer. Ich räume selbst ein, daß sie euer Pelzchen mit größerer Kraft striegeln; aber die Gereifteren wissen ihrer Erfahrung zufolge besser die Stellen, wo der Floh nistet, und das wenige aber Schmackhaftere ist dem vielen und Geschmacklosen bei weitem vorzuziehen. Der scharfe Trab schmerzt und ermüdet den Reiter, wie jung er auch sei, während ein bequemer Schritt, wenn auch etwas später, doch behaglich zur Herberge führt.
Ihr seht nicht ein, ihr Wesen ohne Urteil, wieviel Übel sich unter diesem bißchen schöner Außenseite verbirgt. Nicht mit einer Schönen sind die Jünglinge zufrieden, sondern so viele sie sehen, so viele begehren sie, so vieler glauben sie würdig zu sein. Deshalb kann ihre Liebe nicht beständig sein, und du selbst kannst jetzt Zeugnis dafür ablegen. Werden sie von ihren Schönen geehrt und geliebkost, so meinen sie, ihnen geschähe nur, was ihnen gebührt, und einen größeren Ruhm kennen sie nicht, als diejenigen prahlend aufzuzählen, die sie besessen haben; und schon viele Weiber hat diese Sünde den Mönchen zugeführt, die wenigstens nichts weitererzählen. Und wenn du behauptest, daß niemand als deine Dienerin und ich deine Liebe kennen, so weißt du es schlecht und glaubst es zu Unrecht, wenn du es glaubst. Deine ganze Straße sowohl als auch deine Nachbarschaft spricht fast von nichts anderem; aber meistens ist der letzte, dem solche Dinge zu Ohren kommen, gerade derjenige, den sie betreffen. Auch plündern die jungen Fante euch aus, während ihr von den älteren beschenkt werdet.
Wußtest du nun aber einmal so schlecht zu wählen, so gehöre immerhin dem an, dem du dich schenktest, und überlasse mich, den du verhöhntest, ändern; denn ich habe eine Geliebte gefunden, unendlich würdiger, als du es bist, eine Geliebte, die mich besser zu erkennen gewußt hat, als du es tatest. Willst du inzwischen über das, wonach meine Augen verlangen, eine richtigere Überzeugung in jene Welt mitnehmen, als meine Worte sie dir in dieser gegeben zu haben scheinen, so eile nur, dich von dort herabzustürzen. Wie ich glaube, wird dann deine Seele, von den Klauen des Teufels schon erfaßt, wahrnehmen, wie wenig mein Auge sich entsetzt, wenn es dich so jählings niederstürzen sieht. Doch fürchte ich, du wirst mir solche Freude nicht machen wollen, und darum ermahne ich dich, wenn die Sonne dich zu brennen anfängt, an den Frost zu denken, den du mich erdulden ließest, und mischst du ihn dann mit der gegenwärtigen Hitze, so wird die Sonne dir ohne Zweifel gemäßigt Vorkommen.«
Die untröstliche Witwe sah wohl, daß die Rede des Gelehrten auf ein grausames Ziel hinauslief. Sie fing daher wieder an zu weinen und sprach: »Sieh, da nichts, was mich angeht, dich zum Mitleid mit mir bewegen kann, so lasse dich von der Liebe bewegen, die du für jene Dame hegst, welche du verständiger als mich erachtest und von der geliebt zu sein du versicherst. Um ihrer Liebe willen vergib mir und reiche mir meine Kleider, damit ich mich ankleiden kann, und laß mich von hier herunter.«
Hierauf begann der Gelehrte zu lachen, und da er sah, daß die dritte Morgenstunde schon geraume Zeit vorüber war, versetzte er: »Freilich, jetzt kann ich nicht nein sagen, da du mich bei einer solchen Dame beschworen hast. Sage mir denn, wo sie sind. Ich will danach gehen und dich von dort oben herunterlassen.« Da die Witwe dies glaubte, beruhigte sie sich etwas und beschrieb ihm den Ort, wo die Kleider versteckt waren. Doch als der Gelehrte den Turm verließ, befahl er seinem Diener, sich nicht von dort zu entfernen, sondern in der Nähe zu bleiben und nach allen Kräften zu verhüten, daß jemand hineinkomme, bis er selbst zurückkehren werde. Dann eilte er zum Hause seines Freundes, speiste hier gemächlich und legte sich, als es ihm Zeit schien, zur Ruhe nieder.
Nur kurze Zeit
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