Das Dekameron
die Ursache dieses Schmerzes? Ach, sagt sie mir, meine Seele.«
Nachdem das Mädchen sich lange hatte bitten lassen, sprach es: »Oh, mein süßer Herr, ich weiß nicht, was ich tun, noch was ich sagen soll. Soeben empfange ich Briefe von Messina, und mein Bruder schreibt darin, daß ich ihm innerhalb von acht Tagen tausend Goldstücke schicken müsse, sollte ich auch verkaufen und verpfänden, was ich habe, wo nicht, so würde ihm der Kopf abgeschlagen. Nun weiß ich nicht, was ich anfangen soll, um dieses Geld so schnell aufzutreiben. Hätte ich auch nur vierzehn Tage Zeit, so fände ich schon Mittel, es von einem Ort her zu bekommen, wo ich noch viel mehr zu erhalten habe, oder ich verkaufte eine von unseren Besitzungen. Aber da nun beides so schnell nicht geht, so möchte ich lieber tot sein, als diese traurige Nachricht bekommen haben.« Und als sie dies gesagt hatte, fuhr sie mit Weinen fort, als hätte der Kummer sie ganz überwältigt.
Salabaetto, dem die verliebte Glut einen großen Teil der notwendigen Einsicht geraubt hatte und der ihre Tränen für wahr, ihre Worte aber für noch wahrer hielt, antwortete: »Madonna, ich kann Euch freilich nicht mit tausend, aber doch mit fünfhundert Goldgulden dienen, wofern Ihr glaubt, sie mir binnen vierzehn Tagen zurückgeben zu können. Es ist ein Glück für Euch, daß ich eben gestern meine Zeuge verkauft habe. Wäre das nicht, so könnte ich Euch fürwahr nicht einen Groschen borgen.« »Weh mir«, erwiderte hierauf das Mädchen, »so hast du also Mangel an Geld gelitten? Oh, warum hast du nichts von mir gefordert! Denn habe ich auch nicht tausend, so hatte ich doch hundert oder zweihundert, um sie dir zu geben. Nun aber hast du mir allen Mut genommen, den Dienst anzunehmen, den du mir anbietest.«
Salabaetto, den diese Worte nur noch mehr betörten, entgegnete:
»Madonna, ich möchte nicht, daß Ihr es darum unterließet; denn wäre ich so in Not gewesen, wie Ihr es seid, so hätte ich Euch wohl um Geld angesprochen.« »Oh, mein Salabaetto«, erwiderte das Mädchen, »jetzt erkenne ich wohl, daß deine Liebe zu mir wahrhaft und vollkommen ist, da du mir, ohne zu erwarten, daß ich darum bitte, mit einer so großen Geldsumme in einer solchen Not edelmütig zu Hilfe kommst. Fürwahr, schon ohne dies war ich völlig die deine; nach dieser Tat aber werde ich es noch mehr sein und nie vergessen, daß ich dir das Leben meines Bruders schulde. Aber Gott weiß es, nur ungern nehme ich das Geld an, wenn ich bedenke, daß du Kaufmann bist und Kaufleute allerwege Geld zu ihren Geschäften brauchen. Doch da die Not mich einmal drängt und ich die gewisse Hoffnung habe, es dir schnell wiederzugeben, so will ich es annehmen und dir für diesen Vorschuß, wenn ich keinen schnelleren Weg finden sollte, alle meine Sachen hier verpfänden.« Und mit diesen Worten sank sie weinend Salabaetto um den Hals. Er begann sie nun zu trösten, und nachdem er die Nacht über bei ihr gewesen war, brachte er ihr, um sich in vollem Maße als freigebiger Diener zu erweisen, ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten, blanke fünfhundert Goldgulden, die sie mit lachendem Herzen und weinenden Augen hinnahm, während Salabaetto sich mit ihrem bloßen Versprechen begnügte.
Sobald die Schöne das Geld hatte, fing für ihren Umgang mit Salabaetto ein veränderter Kalender an, und während ihm früher der Zutritt in ihr Haus jedesmal freigestanden hatte, wenn er es wünschte, begannen jetzt Hindernisse dazwischenzutreten, derentwillen es ihm unter sieben Malen kaum einmal gelang, Eingang zu finden, und auch dann empfing ihn weder derselbe Willkommen noch dieselbe Zärtlichkeit und Freude wie sonst.
Unterdessen war die Frist, in der er sein Geld wiedererhalten sollte, nicht nur herangekommen, sondern um einen, ja um zwei Monate überschritten, und als er nun mahnte, wurden ihm schöne Worte statt der Bezahlung zuteil. Da sah denn Salabaetto die Hinterlist des betrügerischen Weibes wohl ein und erkannte seine Torheit. Allein, zugleich begriff er auch, daß er in dieser Sache nichts durchsetzen könne, als was ihr selbst beliebte, weil er weder Schrift noch Zeugnis darüber besaß. Andererseits schämte er sich auch, sich bei irgend jemand darüber zu beklagen, zum Teil weil er vorher gewarnt worden war, zum Teil weil er nur den Spott erwarten konnte, den seine Einfalt verdient hatte, und so beweinte er denn, über die Maßen traurig, seinen Unverstand für sich allein. Indes hatte er von seinen
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