Das Dekameron
Felleisen seinem Rosse auflegen und gedachte in Corsignano einen ändern Diener anzuwerben. Als er jedoch, im Begriff abzureisen, den Wirt bezahlen wollte, fand er sein Geld nicht. Darüber entstand natürlich großer Lärm, und das ganze Wirtshaus geriet in Aufruhr, als Angiulieri behauptete, er sei darin bestohlen worden, und drohte, er wolle sie alle gefangen nach Siena führen lassen.
Da kam auf einmal Fortarrigo im Hemd angegangen, da er jetzt auch die Kleider nehmen wollte, wie er das Geld schon genommen hatte. Als er den Angiulieri im Begriff erblickte, das Pferd zu besteigen, rief er: »Was soll das bedeuten, Angiulieri? Wollen wir schon wieder fort? Oh, warte nur noch einen Augenblick. Gleich muß einer kommen, der mein Wams für achtunddreißig Soldi zum Pfände hat. Ich bin überzeugt, er gibt es uns für fünfunddreißig zurück, wenn wir ihn gleich bezahlen.«
Während dieser Worte kam einer hinzu, der den Angiulieri dadurch, daß er ihm die Geldsumme angab, die jener im Spiel verloren hatte, überzeugte, Fortarrigo sei es gewesen, der ihm sein Geld genommen habe. Äußerst erzürnt hierüber, überhäufte Angiulieri den Fortarrigo mit den heftigsten Schmähungen, und hätte er sich vor ändern nicht mehr als vor Gott gefürchtet, so hätte er ihm Schlimmeres angetan. So aber bestieg er schnell sein Pferd, mit der Drohung, ihn bei der Gurgel aufhängen oder bei Strafe des Galgens aus Siena verbannen zu lassen. Fortarrigo aber sprach immer weiter, als wenn Angiulieri gar nicht zu ihm, sondern zu einem ganz ändern gesprochen hätte: »Angiulieri, lassen wir doch in Gottes Namen all dies Gerede, das ja doch zu nichts nütze ist. Merke aber das eine: wenn wir es gleich einlösen, so bekommen wir es gewiß für fünfunddreißig Soldi wieder. Doch zögerst du nur bis morgen, so läßt er nichts von den achtunddreißig ab, die er mir darauf lieh, und er tut mir den Gefallen nur, weil ich eigentlich auf seinen Rat gesetzt habe. Sprich, warum wollen wir die drei Soldi nicht sparen?«
Als Angiulieri ihn so reden hörte, geriet er in Wut, besonders weil er sah, wie alle Umstehenden ihn angafften und zu glauben schienen, daß keineswegs Fortarrigo sein Geld verspielt habe, sondern daß vielmehr er jenem das seinige vorenthalte. »Was habe ich mit deinem Wams zu tun?« rief er aus. »Mögest du am Halse aufgehängt werden, der du mich nicht allein bestohlen und das Meinige verspielt hast, sondern mich jetzt noch in meiner Reise aufhältst und mich zum besten haben willst.«
Doch Fortarrigo ließ sich nicht irremachen und sprach weiter, als sage jener dies alles nicht zu ihm: »Wie? Warum soll ich hier nicht drei Soldi sparen? Glaubst du, daß ich sie dir nicht wieder borgen kann? Tu es doch, wenn du mich lieb hast! Was hast du denn für Eile? Nach Torrenieri kommen wir heute immer noch. Drum mache, hol deine Börse heraus. Wisse, ganz Siena könnte ich durchsuchen und fände doch kein Wams, das mir so gut stände wie dieses. Und dann zu sagen, daß ich es ihm für achtunddreißig Soldi gelassen hätte, da es wohl vierzig und mehr wert ist, so daß du mich auf doppelte Weise in Schaden brächtest.«
Aufs äußerste empört darüber, daß dieser Mensch, nachdem er ihn beraubt, ihn noch mit Worten aufhalten wollte, antwortete ihm Angiulieri nicht weiter, sondern wandte den Kopf des Pferdes um und ritt auf dem Weg nach Torrenieri davon. Fortarrigo aber, dem ein boshafter Einfall in den Sinn kam, fing an, im Hemd, wie er war, hinter ihm herzutraben. Als sie so etwa zwei Meilen zurückgelegt hatten, wobei jener immer wegen des Wamses bettelte und Angiulieri, um sich diese Plage vor den Ohren wegzuschaffen, scharf zuritt, erblickte Fortarrigo gerade vor Angiulieri einige Bauern im nahen Felde an der Straße. Diese rief er laut an und schrie: »Haltet ihn! Haltet ihn!« Sie eilten, der eine mit dem Spaten, der andere mit der Hacke, auf die Straße, versperrten dem Angiulieri den Weg, hielten ihn auf und ergriffen ihn, da sie fest überzeugt waren, daß er jenen ändern, der ihm so im Hemde schreiend nachlief, beraubt haben müsse.
Es nutzte ihm nichts, daß er ihnen sagte, wer er sei und wie die Sache sich verhalte, denn bald kam Fortarrigo mit zorniger Miene herbei und rief: »Ich weiß fürwahr nicht, warum ich dich nicht totschlage, treuloser Räuber, der du mit dem Meinigen davongelaufen bist.« Dann fuhr er, zu den Bauern gewandt, fort: »Sehet, ihr Herren, in welchem Aufzug er mich im Gasthof zurückließ,
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