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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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doch, was auch in vergangener Zeit mein Wunsch gewesen sein mag, weder jetzt noch in der Zukunft, weder hier noch anderwärts Euch anders zu behandeln als eine teure Schwester. Doch die Wohltat, die ich Euch in dieser Nacht erzeigen konnte, verdient einen bescheidenen Lohn, und darum bitte ich, daß Ihr mir eine Gunst nicht abschlagt, um die ich Euch bitten will.«
    Wohlwollend entgegnete die Dame hierauf, sie sei dazu bereit, wofern sie es vermöchte und wofern diese Gunst sich mit ihrer Ehrbarkeit vertrüge. »Madonna«, sagte Herr Gentile, »alle Eure Verwandten und die Leute von Bologna glauben Euch tot und halten für gewiß, daß Ihr es seid. Niemand erwartet Euch darum mehr in Eurem Hause, und darum fordere ich als eine Gunst von Euch, daß es Euch gefalle, hier bei meiner Mutter so lange zu weilen, bis ich von Modena heimkehre, was bald geschehen wird. Der Grund, warum ich dies von Euch fordere, ist der, daß ich beabsichtige, in Gegenwart der angesehensten Bürger dieser Stadt Eurem Gemahl mit Euch ein wertvolles und festliches Geschenk zu machen.«
    Die Dame, die sich dem Ritter so verpflichtet sah und die Bitte als ehrbar erkannte, entschloß sich, wie sehr sie auch verlangte, mit ihrer lebenden Erscheinung ihre Verwandten zu erfreuen, zu tun, was Herr Gentile begehrte, und so gab sie ihm denn ihr Wort darauf. Doch kaum hatte sie ihre Antwort zu Ende gebracht, da fühlte sie, daß die Zeit ihrer Entbindung herangekommen war, worauf sie denn, zärtlich von Herrn Gentiles Mutter unterstützt, nicht lange nachher ein schönes Söhnlein zur Welt brachte. Dies verdoppelte natürlich Herrn Gentiles und ihre eigene Freude. Er ordnete nun an, daß alles, was eine Wöchnerin brauchte, zur Hand sei und daß sie so bedient würde, als wäre sie seine eigene Frau, und begab sich dann heimlich wieder nach Modena.
    Als seine Amtszeit hier abgelaufen war und er nach Bologna zurückkehren sollte, ordnete er für den Morgen, an dem er eintreffen wollte, in seinem Hause ein großes und herrliches Festmahl an, zu dem viele und angesehene Männer Bolognas, darunter auch Herr Niccoluccio Caccianimico, geladen wurden. Heimgekehrt und abgestiegen, begab er sich zu diesen, nachdem er zuvor auch die Dame schöner und gesünder als je wiedergefunden und ihren kleinen Sohn wohlauf gesehen hatte, und führte nun mit unaussprechlicher Freude seine Gäste zu Tisch, wo er sie mit vielen Speisen prächtig bewirten ließ.
    Als die Tafel schon fast zu Ende war, begann er, nachdem er der Dame vorher mitgeteilt, was er zu tun gedenke, und mit ihr verabredet hatte, wie sie sich dabei benehmen solle, also zu reden: »Ihr Herren, ich erinnere mich, einmal gehört zu haben, daß es in Persien einen meiner Meinung nach löblichen Brauch gibt, welcher darin besteht, daß jemand, der seinen Freund aufs höchste ehren will, ihn in sein Haus lädt und ihm hier das zeigt, was ihm das Teuerste ist, es sei nun Frau, Geliebte, Tochter oder was immer, wobei er beteuert, so wie er ihm dies zeige, möchte er ihm, wenn er's könnte, noch lieber sein eigenes Herz zeigen. Diesen Brauch gedenke ich meinerseits in Bologna zu beobachten. Ihr habt durch eure Gunst mein Mahl geehrt, und ich will euch auf persische Art wieder ehren, indem ich euch das Teuerste zeige, was ich auf der Welt habe oder jemals haben kann. Bevor ich dies jedoch tue, bitte ich euch, mir zu sagen, was ihr über einen Zweifel denkt, den ich euch vortragen will. Es ist jemand, der in seinem Hause einen guten und gar treuen Diener besitzt, welcher schwer erkrankt. Jener Mann nun, ohne das Ende des treuen Dieners abzuwarten, läßt ihn mitten auf die Straße hinaustragen und bekümmert sich nicht weiter um ihn. Ein Fremder kommt dazu, und von Mitleid mit dem Kranken ergriffen, nimmt er ihn mit sich nach Hause und verhilft ihm durch große Sorgfalt und ohne Kosten zu scheuen wieder zu seiner vorigen Gesundheit. Nun möchte ich von euch wissen, ob sein Herr sich wohl nach Recht und Billigkeit über den zweiten Mann beklagen oder beschweren könnte, wenn dieser den Diener bei sich behielte und seine Dienste benutzte und ihn, dazu aufgefordert, nicht wieder herausgeben wollte.«
     
    Die edlen Männer sprachen über diesen Fall mancherlei unter sich, und indem sie alle einer Meinung waren, trugen sie dem Niccoluccio, der ein guter und kunstfertiger Redner war, die Antwort auf. Dieser erklärte, nachdem er zuvor den Brauch der Perser gelobt hatte, er sei gleich allen ändern der Meinung, daß der

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