Das Dekameron
dir erzeugt ward, den ich über die Taufe hielt und Gentile nannte. Und ich bitte dich, laß sie dir darum nicht minder wert sein, weil sie nahezu drei Monate in meinem Hause geweilt hat; denn ich schwöre dir bei dem Gott, der mir vielleicht einst die Liebe zu ihr einflößte, damit diese meine Liebe, wie es geschehen ist, die Ursache ihrer Rettung werde, daß sie niemals, weder bei ihrem Vater noch bei ihrer Mutter, noch auch bei dir ehrbarer lebte, als sie es bei meiner Mutter in meinem Hause getan hat.« Nach diesen Worten wandte er sich zu der Dame und sagte: »Madonna, jetzt löse ich Euch von jedem Versprechen, das Ihr mir gegeben habt, und überlasse Euch frei dem Niccoluccio.« Damit übergab er die Dame und das Kind den Armen Niccoluccios und kehrte zu seinem Sitze zurück.
Voller Verlangen empfing Niccoluccio Gattin und Sohn, um so glücklicher, je ferner er von jeder Hoffnung gewesen war, und er dankte dem Ritter, so sehr er nur wußte und konnte. Auch die ändern, die alle vor Mitgefühl weinten, lobten ihn sehr, und jeder, der dies hörte, pries ihn. Die Dame aber wurde mit unsagbarer Freude in ihrem Hause empfangen und lange Zeit hindurch wie eine Auferstandene von ganz Bologna mit Bewunderung betrachtet. Herr Gentile aber lebte immer als Freund Niccoluccios und der beiderseitigen Verwandten des Paares.
Was, ihr geneigten Mädchen, werdet ihr nun hierüber sagen? Haltet ihr dafür, daß ein König, der Zepter und Krone verschenkt, oder ein Abt, der ohne Kosten einen Übeltäter mit dem Papst aussöhnt, oder ein Greis, der seinen Hals dem Messer des Feindes darbietet, an Großmut mit Herrn Gentile zu vergleichen seien, der, jung, feurig und in dem Glauben, ein gutes Recht auf das zu haben, was die Unachtsamkeit anderer weggeworfen und was er zu seinem Glück aufgehoben hatte, dennoch nicht nur ehrbarerweise seine Glut mäßigte, sondern freiwillig zurückgab, was er seit Jahren mit allen seinen Wünschen erstrebt und zu rauben gesucht hatte, als es in seinen Besitz gelangt war? Fürwahr, keine von den schon erzählten großmütigen Handlungen scheint mir dieser vergleichbar!
Fünfte Geschichte
Madonna Dianora fordert von Herrn Ansaldo im Januar einen Garten so schön wie im Mai.
Herr Ansaldo verpflichtet sich einen Schwarzkünstler und verschafft ihn ihr. Ihr Gatte erlaubt ihr, Herrn Ansaldo zu Willen zu sein. Dieser entbindet sie ihres Versprechens, als er die Großmut ihres Mannes erfährt, und der Schwarzkünstler verläßt Herrn Ansaldo, ohne etwas von ihm annehmen zu wollen.
Von jedem in der fröhlichen Gesellschaft war Herr Gentile mit hohem Lobe bis zum Himmel erhoben worden, als der König Emilia fortzufahren befahl, und diese begann keck, als wäre sie zu erzählen begierig, folgendermaßen:
In Friaul, einem Lande, das, obgleich kalt, durch schöne Berge, mehrere Flüsse und klare Quellen ein heiteres Gesicht erhält, liegt eine Stadt namens Udine. Dort lebte einst eine schöne und edle Dame, Madonna Dianora genannt, als Gattin eines angesehenen und reichen Mannes, welcher Gilberto hieß, gefällige Sitten hatte und gut aussah. Diese Dame verdiente es durch ihre trefflichen Eigenschaften, von einem edlen und großen Herrn, Ansaldo von Grado, innig geliebt zu werden, der ein Mann von hohem Geblüt war und den man ob seiner Waffentaten und seiner adeligen Sitten überall kannte. Er liebte sie heftig und bemühte sich doch umsonst, obwohl er alles tat, was er vermochte, um von ihr wiedergeliebt zu werden, und sie darum auch häufig mit Botschaften anging.
Die Anträge des Ritters wurden der Dame endlich zur Last, und da sie sah, daß er, wie sehr sie ihm auch alles abschlug, worum er sie bat, doch nicht abließ, sie zu lieben und zu bestürmen, so sann sie darauf, ihn sich durch ein unerhörtes und ihrer Meinung nach unmögliches Verlangen vom Halse zu schaffen. Daher sprach sie zu einem Weib, das in seinem Auftrag häufig zu ihr kam, eines Tages folgendermaßen: »Gute Frau, du hast mir so oft beteuert, daß Herr Ansaldo mich über alles liebt, und mir in seinem Namen wundersame Geschenke angeboten. Ich will jedoch, daß diese ihm bleiben sollen, weil ich um ihretwillen ihn weder liebte noch nach seinem Verlangen täte. Wäre ich indes gewiß, daß er mich wirklich so liebte, wie du sagst, wahrlich, so entschlösse ich mich, ihn wiederzulieben und zu tun, was er begehrt. Will er mich also davon durch das überzeugen, um was ich ihn bitten werde, so bin ich zu seinen
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