Das Dekameron
befahl er, Fiammetta einen Blick zuwerfend, dieser, dem Streit durch ihre Erzählung ein Ende zu machen. Sie aber begann ohne allen Aufschub folgendermaßen:
Ihr stattlichen Mädchen! Es war immer meine Meinung, daß man in Gesellschaften wie der unsrigen ausführlich genug erzählen müsse, damit nicht die zu große Knappheit Anlaß zum Streit über die Absicht des Erzählten gebe. Denn ein solcher ist weit mehr in den Schulen und unter den Scholaren am Platze als unter uns, die wir kaum für Rocken und Spindel ausreichen. Da ich euch schon über das Erzählte streiten sehe, lasse ich Geschichten beiseite, die ich vielleicht im Sinne hatte und die gleichfalls Zweifel hervorrufen könnten, und erzähle euch dafür, wie nicht etwa ein Mann von niederem Stande, sondern ein tapferer König wahrhaft ritterlich gehandelt hat, ohne dabei seiner Ehre im mindesten nahezutreten.
Jede von euch wird schon von König Karl dem Älteren oder Ersten reden gehört haben, der durch sein kühnes Unternehmen und sodann durch seinen glorreichen Sieg über König Manfred die Vertreibung der Gibellinen aus Florenz und die Rückkehr der Welfen veranlaßte. Aus eben diesen Gründen verließ ein Ritter, Herr Neri degli Uberti, mit seiner ganzen Familie und vielem Gelde die Stadt. Doch wollte er nirgendwo andershin flüchten als unter die unmittelbare Gewalt Königs Karls, und um an einem einsamen Ort zu weilen und hier in Ruhe sein Leben zu enden, begab er sich nach Castello a Mare di Stabia.
Hier nun kaufte er, vielleicht einen Bogenschuß weit von den ändern Häusern der Stadt entfernt, unter Oliven, Nußbäumen und Kastanien, an denen die Gegend reich ist, eine Besitzung, auf der er ein schönes und bequemes Wohnhaus errichten ließ und daneben einen anmutigen Garten einrichtete, in dessen Mitte er nach unserer Art, da es an Quellwasser nicht fehlte, einen schönen und klaren Teich anlegte und diesen ohne Mühe mit vielerlei Fischen anfüllte. Während er nun an nichts anderes dachte, als seinen Garten mit jedem Tage zu verschönern, geschah es einst, daß König Karl, um sich in der Sommerhitze etwas zu erfrischen, sich nach Castello a Mare begab. Als er hier von der Schönheit von Herrn Neris Garten hörte, wünschte er diesen kennenzulernen. Da er nun zugleich vernahm, wem er gehöre, so hielt er es für angemessen, weil der Ritter der ihm entgegengesetzten Partei angehörte, sich diesem um so freundlicher zu zeigen, weshalb er ihm melden ließ, daß er am folgenden Abend mit vier Gefährten ganz still bei ihm in seinem Garten speisen wolle. Herrn Neri war dies sehr erwünscht, und nachdem er alles prächtig angeordnet und mit seiner Familie verabredet hatte, was geschehen solle, empfing er den König so freundlich, wie er nur wußte und konnte, in seinem schönen Garten.
Nachdem der König den Garten und das ganze Haus des Herrn Neri beschaut und belobt hatte, wusch er sich die Hände und setzte sich an einen der Tische, die am Rande des Teiches aufgestellt waren. Dann befahl er dem Grafen Guido von Montfort, der einer seiner Begleiter war, sich ihm an die eine, und Herrn Neri, sich an die andere Seite zu setzen. Drei ändern aber, die mit ihnen gekommen waren, gebot er, sie nach der Ordnung zu bedienen, welche Herr Neri vorgeschrieben habe. Köstliche Speisen wurden aufgetragen, und die Weine waren vorzüglich und kostbar. Die Anordnung war schön und sehr lobenswert, und weder Lärm noch Unruhe störten. Alles dies wurde vom Könige sehr gelobt.
Während er nun in dieser Weise noch fröhlich speiste und sich der Stille des Ortes erfreute, siehe, da traten zwei Jungfrauen ein, die etwa fünfzehn Jahre alt sein mochten und deren blondes, goldnen Fäden gleichendes Haar reich geringelt und über den frei niederfallenden Locken von einem leichten Kranz von Immergrün umwunden war. Im Antlitz glichen sie eher Engeln als irgend etwas anderem, so zart und schön waren ihre Züge. Bekleidet waren sie mit nichts als dem feinsten schneeweißen Linnen, das sie auf dem bloßen Leibe trugen. Über dem Gürtel war dies Gewand enganliegend, unter demselben aber erweiterte es sich gleich einem Zeltdache und reichte bis auf die Füße. Die Vorangehende trug auf ihren Schultern ein paar Fangnetze, die sie mit der linken Hand hielt, während sie in der rechten einen langen Stab trug. Die andere, welche ihr folgte, hatte auf der linken Schulter eine Pfanne, unter derselben ein kleines Bündel Reisig und in der Hand einen Dreifuß, während sie in
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