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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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widersprach, daß es dabei bleibe. Als daher der folgende Morgen anbrach, begab sich die Dame um die Morgenröte und ohne sich sehr zu schmücken, mit zwei Dienern vorauf und von einer Kammerfrau gefolgt, zum Hause des Herrn Ansaldo. Als dieser vernahm, seine Dame sei zu ihm gekommen, wunderte er sich sehr und ließ, indem er sich erhob, den Zauberer rufen, zu dem er sagte: »Nun will ich, daß du siehst, welch ein Gut deine Kunst mich hat gewinnen lassen.« Dann ging er ihr entgegen, empfing sie sittsam und mit Achtung, ohne einer sträflichen Begierde Raum zu geben, und alle traten darauf in ein schönes Gemach zu einem großen Feuer.
    Nachdem er ihr einen Sitz hatte anbieten lassen, begann er: »Madonna, ich bitte Euch, wenn anders die lange Liebe, die ich zu Euch getragen, einigen Lohn verdient, daß es Euch nicht lästig sei, mir den wahren Grund, der Euch in solcher Stunde und in solcher Begleitung hierher geführt hat, zu offenbaren.« Hierauf antwortete die Dame schamerfüllt und schier mit Tränen in den Augen: »Herr, weder Liebe, die ich für Euch hegte, noch mein verpfändetes Wort führen mich hierher, sondern der Befehl meines Gatten, welcher mit mehr Rücksicht auf die Bemühungen Eurer ungeregelten Liebe als auf seine und meine Ehre mir geboten hat, hierher zu gehen. Auf seinen Befehl hin bin ich für diesmal zu jedem Eurer Wünsche bereit.«
    Hatte Herr Ansaldo sich schon anfangs gewundert, als er hörte, die Dame sei gekommen, so wunderte er sich jetzt noch viel mehr, und bewegt von Gilbertos Großmut, fing seine Glut an, sich in Mitleid zu verwandeln, und er sprach: »Madonna, da dem so ist, wie Ihr sagt, so möge es Gott nicht gefallen, daß ich der Verderber der Ehre dessen sei, der mit meiner Liebe ein solches Mitleid hatte. Darum will ich Euch, solange es Euch gefällt, hier zu verweilen, nicht anders behandeln, als wenn Ihr meine Schwester wäret, und sobald es Euch genehm ist, möget Ihr frei von hinnen gehen, jedoch so, daß Ihr Eurem Gemahl für soviel Edelsinn, wie er ihn heute mir gegenüber bewiesen hat, den Dank sagt, der Euch angemessen scheint, und mich für alle Zukunft als Euren Bruder und Diener betrachtet.«
    Als die Dame diese Worte vernahm, sprach sie, froher denn je: »Erwog ich Eure adeligen Sitten, so konnte ich nie glauben, daß mein Kommen zu etwas anderem führen könnte als zu dem, was ich Euch jetzt tun sehe und wofür ich Euch immerdar verpflichtet sein werde.« Dann nahm sie Abschied und kehrte, ehrenvoll begleitet, zu Gilberto zurück, dem sie alles erzählte, was geschehen war. Eine enge und treue Freundschaft aber verband diesen von nun an mit Herrn Ansaldo.
    Auch der Schwarzkünstler, dem Herr Ansaldo jetzt den versprochenen Lohn auszahlen wollte, sagte, nachdem er die Großmut Gilbertos gegen Herrn Ansaldo und die Ansaldos gegen die Dame mit angesehen hatte: »Verhüte Gott, daß, da ich Gilberto mit seiner Ehre und Euch mit Eurer Liebe freigebig gesehen habe, ich es nicht auch mit meinem Lohne sei. Da ich denn sehe, daß er bei Euch in guten Händen ist, so will ich, daß er Euer bleibe.« Der Ritter schämte sich und suchte den Schwarzkünstler zu bewegen, daß er jene Summe entweder ganz oder doch zum Teil annähme. Doch da sein Bemühen ohne Erfolg blieb, empfahl er den Zauberer, der nach dem dritten Tage seinen Garten wieder weggeschafft hatte und nun abreisen wollte, Gott und blieb, nachdem er aus seinem Herzen die begehrende Liebe zu seiner Dame verbannt hatte, von ehrbarer Zuneigung entflammt zurück.
    Was sollen wir nun hiervon sagen, ihr liebevollen Mädchen? Wollen wir die halbtote Dame der vorigen Geschichte und die durch entkräftete Hoffnung schon lau gewordene Liebe der Großmut Herrn Ansaldos vorziehen, der, feuriger denn je liebend und von größerer Hoffnung entflammt, die Beute in seinen Händen hielt, die er so lange verfolgt hatte? Töricht schiene es mir, anzunehmen, daß jene Handlung der Großmut mit dieser zu vergleichen sei.
     

Sechste Geschichte
     
     
    Der siegreiche König Karl der Ältere verliebt sich in eine Jungfrau, schämt sich aber dann seines törichten Gedankens und vermählt sie und ihre Schwester auf ehrenvolle Art.
     
    Wer könnte die verschiedenen Gespräche ausführlich berichten, die unter den Damen darüber geführt wurden, wer, die Madonna Dianora betreffend, großmütiger gewesen sei, ob Gilberto, Herr Ansaldo oder der Zauberer? Es würde zu lang sein. Doch nachdem der König einiges Streiten zugelassen hatte,

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