Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
der ändern Hand einen Ölkrug und eine brennende Fackel trug. Als der König sie sah, erstaunte er und erwartete neugierig, was dies zu bedeuten habe.
    Ehrbar und schüchtern traten die Jungfrauen vor, machten dem König ihre Verbeugung und begaben sich dann dahin, wo man in den Teich hinabstieg.
    Die eine, welche die Pfanne trug, setzte diese und danach die ändern Dinge nieder und ergriff den Stab, welchen die andere trug, worauf beide in den Teich hinabstiegen, dessen Wasser ihnen bis an die Brust reichte. Einer der Diener des Herrn Neri zündete schnell das Feuer an und setzte die Pfanne auf den Dreifuß, und nachdem er das Öl hineingetan hatte, erwartete er, daß die Jungfrauen ihm Fische zuwürfen. Inzwischen störte die eine mit ihrem Stab die Fische an den Stellen des Teiches auf, wo sie sich, wie sie wußte, zu verbergen pflegten, die andere aber hielt ihnen dann die Netze entgegen, und so fingen sie zum großen Vergnügen des Königs, der aufmerksam zusah, in kurzer Zeit eine Menge von Fischen.
    Einige von diesen warfen sie dem Diener zu, der sie beinahe noch lebend in die Pfanne tat. Dann aber begannen sie, wie sie angewiesen waren, immer noch schönere zu fangen und diese auf die Tafel vor den König, den Grafen Guido und ihren Vater hinzuwerfen. Die Fische schnellten sich auf dem Tisch umher, woran der König das größte Ergötzen hatte und einige davon ergriff, um sie den Jungfrauen huldreich wieder zurückzuwerfen, und so scherzten sie eine Weile, bis der Diener diejenigen zubereitet hatte, die ihm gereicht worden waren. Diese wurden mehr als ein Zwischengericht denn als eine seltene und kostbare Speise, wie Herr Neri befohlen hatte, dem König vorgesetzt.
    Als die Jungfrauen den Fisch bereitet sahen und zur Genüge gefischt hatten, verließen sie den Teich, wobei ihr weißes und zartes Gewand sich so fest an ihren Körper schmiegte, daß fast nichts von ihrem zarten Leibe dadurch verborgen blieb. Dann nahm jede die mitgebrachten Sachen wieder auf, und schamhaft vor dem König vorüberschreitend, zogen sie sich ins Haus zurück.
    Der König, der Graf und die übrigen, die bei Tische bedienten, hatten die Jungfrauen eifrig betrachtet, und jeder hatte sie bei sich als schön und wohlgebildet, zugleich aber auch als anmutig und gesittet gelobt. Vor allen ändern aber hatten sie dem König sehr gefallen. Als sie aus dem Wasser kamen, hatte er jeden Teil ihres Körpers so aufmerksam betrachtet, daß, sollte ihn jemand in diesem Augenblick gestochen haben, er es nicht gefühlt hätte. Während er nun immerzu an sie dachte, ohne noch zu wissen, wer sie waren und welcher Art seine Gedanken, fühlte er im Herzen ein so brennendes Verlangen erwachen, ihnen zu gefallen, daß er wohl erkannte, er sei im Begriff sich zu verlieben, wenn er sich nicht davor hüte. Welche von beiden ihm am besten gefallen hatte, wußte er selbst nicht zu sagen, so ähnlich waren sie einander in allen Stücken. Nachdem er jedoch etwas in solchen Gedanken verweilt hatte, wandte er sich zu Herrn Neri und fragte ihn, wer diese beiden Mägdlein seien. »Gnädiger Herr«, antwortete ihm Neri, »es sind meine Töchter, beide zusammen geboren, von denen die eine Ginevra die Schöne, die andere Isotta die Blonde heißt.« Der König lobte sie von neuem sehr und forderte ihn auf, sie zu vermählen. Herr Neri entschuldigte sich jedoch mit der Bemerkung, daß er das in seinen jetzigen Umständen nicht könne.
    Während nun von dem, was zum Mahl gereicht werden sollte, nichts mehr ausstand als die Früchte, kamen die beiden Jungfrauen, in zwei Jäckchen vom schönsten Zindeltaffet gekleidet, mit zwei großen silbernen Schüsseln in der Hand, die voll der verschiedenartigsten Früchte waren, wie die Jahreszeit sie brachte, und setzten sie vor dem König auf die Tafel. Als sie dies getan, traten sie etwas zurück und stimmten einen Gesang an, dessen Worte folgendermaßen beginnen:
     
    Wohin, o Amor, du mich hast geführt,
    Das ist mit Worten nicht zu sagen ...
     
    und sangen diesen so hold und anmutig, daß es dem König, der sie mit Entzücken ansah und anhörte, nicht anders war, als wären alle himmlischen Heerscharen herniedergestiegen, um zu singen. Als das Lied zu Ende war, knieten sie ehrerbietig vor dem König nieder und baten um ihre Entlassung. So leid ihm nun auch ihr Abschied tat, so bewilligte er ihnen denselben doch mit heiterer Miene. Nachdem sodann das Mahl geendet und der König mit seinen Begleitern wieder zu Roß gestiegen

Weitere Kostenlose Bücher