Das Dekameron
Vater, den Minuccio von Arezzo kommen zu lassen. Dieser Minuccio wurde zu jener Zeit für einen der trefflichsten Sänger und Lautenspieler gehalten und war auch bei König Peter gern gesehen. Bernardo glaubte, Lisa verlange nur nach ihm, um ihn etwas spielen oder singen zu hören, deshalb ließ er es ihm sagen, und Minuccio, der ein gefälliger Mann war, kam sogleich zu ihr. Nachdem er ihr mit freundlichen Worten ein wenig zugesprochen und sie erheitert hatte, spielte er ihr auf seiner Viola gar süß ein kleines Stücklein vor und sang dann das eine und andere Lied. Diese Lieder waren für die Liebe der Jungfrau Feuer und Flamme, während er sie damit zu beruhigen wähnte.
Hierauf sagte ihm die Jungfrau, sie habe einige Worte mit ihm allein zu reden, weshalb denn jeder andere sie verließ, sie aber also zu ihm sprach: »Minuccio, ich habe dich zum treuen Bewahrer eines meiner Geheimnisse erwählt, indem ich zunächst hoffe, daß du dies niemals irgendjemand mitteilen wirst als dem, den ich dir nennen werde, und sodann, daß du, soweit du kannst, mir helfen wirst, und darum bitte ich dich. Wisse also, mein guter Minuccio: an dem Tage, da unser Herr, König Peter, das große Turnier zu Ehren seiner Thronbesteigung gab, habe ich ihm, als er turnierte, so tief in die Augen gesehen, daß sich mein Herz in Liebe für ihn entzündet hat, und diese Liebe hat mich so weit gebracht, wie du jetzt siehst. Da ich nun erkenne, wie ungeziemend für mich die Liebe zu einem König ist, und ich sie dennoch nicht zu mindern, geschweige denn zu verbannen weiß, sie aber zu ertragen mir zu schwer wird, so habe ich, als den geringeren Schmerz, zu sterben erwählt und werde es tun. Und fürwahr, über alle Maßen trostlos ginge ich von hinnen, wenn er nicht zuvor davon erführe. Da ich nun nicht wußte, durch wen ich ihm meinen Entschluß angemessener bekannt machen könnte als durch dich, so will ich diesen Auftrag dir übertragen, und ich bitte dich, weise ihn nicht ab. Und wenn du ihn ausgeführt hast, so laß es mich wissen, damit ich getröstet mich durch den Tod diesen Qualen entziehe.« Nachdem sie dies gesprochen hatte, schwieg sie unter Tränen.
Minuccio erstaunte über die Seelengröße der Jungfrau und über ihren herben Entschluß, den er sehr beklagte. Da ihm sogleich in den Sinn kam, wie er auf geziemende Weise ihr dienen könne, sprach er: »Lisa, ich verpfände dir mein Wort, und sei versichert, daß du nie von mir getäuscht werden wirst.
Dann aber lobe ich dich wegen eines so hohen Beginnens, wie es das ist, dein Herz einem so großen König zugewandt zu haben, und biete dir meinen Beistand an, durch den ich es, wenn du nur Mut fassen willst, so weit zu bringen hoffe, daß ich dir, bevor der dritte Tag verstreicht, willkommene Kunde bringen kann. Um aber keine Zeit zu verlieren, will ich sogleich gehen und den Anfang machen.« Lisa bat ihn von neuem sehr darum, versprach ihm, Mut zu fassen, und hieß ihn mit Gott gehen. Minuccio schied von ihr und suchte sogleich einen gewissen Mico von Siena auf, der in jener Zeit ein gar guter Reimer war, und bewog ihn durch seine Bitten, das nachfolgende Lied zu machen:
Geh, Amor, hin und sage meinem Herrn,
Wie groß die Qualen sind, die ich ertrage;
Daß sterbend ich verzage,
Weil ich verbergen muß der Hoffnung Stern.
Ich bitte, Amor, dich mit heißem Flehen,
Daß du dort hingehst, wo mein Herr verweilt,
Ihm sagst, wie nur nach ihm die Blicke spähen,
Der mir das Herz verwundet und doch heilt.
Wie könnt ich solchen Flammen widerstehen!
Nur weiß ich nicht, wann mich der Tod ereilt,
Wann er den Brief der Freiheit mir erteilt,
Der mich erlöst von Scham und bangem Zagen,
Die sehnend ich ertragen.
Sag ihm, was ich erdulde, von ihm fern.
Seit, Amor, ich zuerst für ihn entbrannte,
Gabst du mir Furcht und nie so viel an Mut,
Daß ich, selbst in Gebärden, je bekannte
Dem, der in mir entzündet diese Glut,
Wie ich sein eigen bin, nur sein mich nannte,
Weshalb der Tod - im Sterben - leid mir tut.
Es stockt vor Schüchternheit mir alles Blut,
Doch könnt ich schildern ihm die heißen Schmerzen,
Die brennen mir im Herzen,
Statt mir zu zürnen, hört' er es wohl gern.
Läßt, Amor, du das Glück mir nimmer werden,
Die Scheu zu bannen, der ich stets erlag,
So daß durch Boten oder durch Gebärden
Mein Herz ihm nie von seiner Liebe sprach,
Dann bitt ich nur um eine Gunst auf Erden:
Geh, Amor, zu ihm, mahn ihn an den Tag,
Wo Lanz auf Lanz er im
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