Das Dekameron
Turniere brach.
Damals erblickt ich ihn mit Liebessehnen,
Seitdem nennt unter Tränen
Mein brechend Herz ihn seinen hohen Herrn.
Zu diesen Worten setzte Minuccio sofort eine sanfte und wehmütige Weise, wie der Inhalt sie verlangte, und ging den dritten Tag darauf an den Hof, während König Peter noch an der Tafel saß. Dieser befahl ihm, etwas zu seiner Viola zu singen, und Minuccio begann nun, von seinem Spiele begleitet, das Lied so süß und weich zu singen, daß alle, die im königlichen Saale zugegen waren, ganz überwältigt schienen, so schweigend und aufmerksam hörten sie ihm zu, und der König noch mehr als alle übrigen.
Als Minuccio seinen Gesang beendet hatte, fragte ihn der König, wie er zu dem Liede gekommen sei, das er noch nie gehört zu haben glaube. »Gnädiger Herr«, antwortete Minuccio, »es sind noch nicht drei Tage, daß Wort und Weise gemacht wurden.« Als der König nun fragte, von wem, antwortete er: »Das wage ich nur Euch allein zu entdecken.«
Der König, begierig dies zu hören, ließ ihn, nachdem die Tafel aufgehoben war, zu sich in sein Gemach kommen, und hier erzählte ihm Minuccio der Reihe nach alles, was er gehört hatte. Der König freute sich hierüber sehr, lobte die Jungfrau und sagte, mit einem so hochgesinnten Mädchen müsse man Mitleid haben. Deshalb solle er zu ihr gehen, ihr in seinem Namen Mut zusprechen und ihr sagen, daß er sie noch an diesem Tage unfehlbar gegen Abend besuchen käme.
Minuccio, glücklich, der Jungfrau so frohe Botschaft überbringen zu können, ging ohne Säumen mit seiner Viola von dannen, erzählte ihr, da er sie allein traf, alles Vorgefallene und sang ihr das Lied zu seiner Viola vor. Hierüber ward die Jungfrau so froh und glücklich, daß auf der Stelle unverkennbare Zeichen der Genesung sich einfanden, und sehnsuchtsvoll begann sie nun, ohne daß irgendjemand im Hause etwas davon wußte oder ahnte, den Abend zu erwarten, wo sie ihren Herrn sehen sollte.
Der König, der ein gütiger und wohlwollender Herr war, hatte unterdessen mehrfach über die Dinge nachgesonnen, die Minuccio ihm erzählt hatte, und da er das Mädchen und ihre Schönheit sehr wohl kannte, empfand er jetzt noch viel größeres Mitleid mit ihr als zuvor. So stieg er denn um die Abendstunde zu Pferd, und unter dem Vorwand, nur zu seiner Erholung auszureiten, gelangte er zu dem Hause des Gewürzhändlers. Hier ließ er bitten, daß ihm dessen Garten, der sehr schön war, geöffnet werde, und vor diesem stieg er ab. Nach einiger Zeit fragte er den Bernardo, wie es mit seiner Tochter stehe und ob er sie noch nicht vermählt habe. »Gnädiger Herr«, antwortete Bernardo, »vermählt ist sie nicht. Schwer krank aber ist sie gewesen und ist es noch, wiewohl sie seit der neunten Tagesstunde sich so gebessert hat, daß es schier ein Wunder ist.« Der König erkannte sogleich, welche Bewandtnis es mit dieser Besserung hatte, und sprach: »Bei meiner Treue, es wäre schade, wenn ein so schönes Wesen der Welt schon entrissen werden sollte. Wir wollen sie selber besuchen gehen.«
Bald darauf ging er mit nur zwei Begleitern und Bernardo zur Kammer der Jungfrau, und sowie er eingetreten war, ging er zum Bett, wo die Jungfrau, etwas aufgerichtet, mit Sehnsucht seiner wartete, nahm sie bei der Hand und sprach: »Madonna, was soll das bedeuten? Ihr seid jung und solltet ändern zum Trost gereichen, und lasset Euch von Krankheit anfechten? Wir wollen Euch bitten, daß es Euch aus Liebe zu uns gefalle, Mut zu fassen, damit Ihr bald wieder geneset.«
Als die Jungfrau ihre Hände von dem Manne berührt fühlte, den sie über alles liebte, empfand sie, wiewohl sie sich etwas schämte, doch in ihrer Seele solche Wonne, als wäre sie im Paradies, und antwortete ihm, so gut sie konnte: »Mein hoher Herr, daß ich es gewagt habe, meine geringen Kräfte überschwerer Last zu unterwerfen, das ist die Ursache dieser meiner Krankheit, von der Ihr mich jedoch, dank Eurer Gnade, bald befreit sehen werdet.« Der König allein verstand den verborgenen Sinn in der Rede der Jungfrau und schätzte sie darum immer höher, ja zum öfteren schmähte er bei sich selbst das Schicksal, das sie zur Tochter eines geringen Mannes gemacht hatte. Nachdem er nun einige Zeit bei ihr verweilt und ihr noch mehr Mut zugesprochen hatte, nahm er Abschied.
Diese Herablassung des Königs wurde viel gelobt und dem Gewürzhändler und seiner Tochter zu hoher Ehre gerechnet. Die letztere aber war so glücklich
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