Das Dekameron
daß er bei angemessenem und selbst bei wohlfeilem Verkauf derselben mehr als doppelt so reich war wie bei seiner Abreise. Als er Gelegenheit gefunden hatte, die Steine zu verkaufen, sandte er der guten Frau, die ihn aus dem Meer gezogen, zum Dank für die erwiesenen Wohltaten eine bedeutende Geldsumme nach Korfu. Ein Gleiches tat er den Kaufleuten, die ihn in Trani bekleidet. Den Rest aber behielt er für sich und lebte damit ehrenvoll bis an sein Ende, ohne sich weiter auf Handelsunternehmungen einzulassen.
Fünfte Geschichte
Andreuccio von Perugia kommt nach Neapel, um Pferde zu kaufen, und gerät in einer Nacht dreimal in Lebensgefahr, entrinnt ihr jedoch jedesmal und kehrt mit einem Rubin in seine Heimat zurück
Bei den Edelsteinen, die Landolfo fand, begann Fiammetta, welche die Reihe des Erzählens traf, ist mir eine Geschichte eingefallen, die kaum weniger Gefahren enthält, sich aber von der Laurettas dadurch unterscheidet, daß ihre Ereignisse sich nicht etwa im Verlauf mehrerer Jahre, sondern in einer einzigen Nacht abspielten.
Es lebte, wie mir erzählt worden ist, in Perugia ein junger Pferdemakler namens Andreuccio di Pietro, der sich auf die Nachricht hin, daß in Neapel ein guter Pferdemarkt sei, fünfhundert Goldgulden in die Tasche steckte und sich, ohne je zuvor in der Fremde gewesen zu sein, mit mehreren ändern Kaufleuten nach jener Stadt auf den Weg machte.
An einem Sonntag in der Dämmerung dort eingetroffen, ging er, den Ratschlägen folgend, die sein Wirt ihm erteilte, am ändern Morgen auf den Markt, wo er zwar viele Pferde besah, an vielen Gefallen fand und um sie feilschte, dennoch aber über keines handelseins werden konnte. Um indes zu zeigen, daß er wirklich zu kaufen gedenke, zog er, unvorsichtig und unerfahren wie er war, zu wiederholten Malen vor den Augen aller, die ab- und zugingen, seine Börse voll Gold heraus. Da geschah es denn, daß, während er so marktete und seinen Geldbeutel sehen ließ, von ihm ungesehen eine junge Sizilianerin vorüberging, die zwar wunderschön, aber auch für geringes Geld bereit war, jedermann zu Willen zu sein, und seine Börse ins Auge faßte. Sogleich sprach sie zu sich selbst: »Wie gut wär ich daran, wenn dieses Geld mein wäre«, und damit ging sie weiter. Nun hatte dies Mädchen eine Alte bei sich, die gleichfalls aus Sizilien war. Sowie diese den Andreuccio gewahr ward, ließ sie ihre Herrschaft weitergehen und lief auf jenen zu, den sie auf das zärtlichste umarmte. Das Mädchen bemerkte dies und wartete, ohne ein Wort zu sagen, in einiger Entfernung das Ende jenes Gesprächs ab. Andreuccio hatte sich inzwischen nach der Alten umgewandt, sie erkannt und mit großer Freude begrüßt. Sie versprach, zu ihm in seine Herberge zu kommen, und ging dann nach kurzer Unterhaltung weiter. Er aber fuhr zu feilschen fort, kaufte jedoch an diesem Morgen nichts.
Die Dirne, die zuerst Andreuccios vollen Beutel und dann seine Bekanntschaft mit ihrer Alten gesehen hatte, trug sich mit dem Gedanken, ob sie nicht ein Mittel finden könnte, jenes Geld oder wenigstens einen Teil davon zu erlangen, und fragte zu dem Ende die Alte vorsichtig aus, wer der Fremde sei, was er hier suche und woher sie ihn kenne. Diese erzählte ihr alles, was die Angelegenheiten des Andreuccio betraf, kaum weniger genau, als er selbst es hätte tun können, denn sie hatte lange Zeit in Sizilien und dann in Perugia bei seinem Vater gedient. Ebenso gab sie über seine Wohnung und den Zweck seiner Reise die nötige Auskunft. Als das Mädchen solchergestalt seine ganze Verwandtschaft und deren Namen hinreichend kennengelernt hatte, baute es auf dieser Kenntnis eine sinnreiche Erfindung auf, durch welche es seinen Zweck zu erreichen gedachte. Zu dem Ende gab es der Alten, sobald sie zu Hause angekommen waren, Besorgungen für den ganzen Tag, damit sie nicht mehr zu Andreuccio gehen sollte. Dann schickte es ein kleines Mädchen, das zu dergleichen Diensten gut angelernt war, gegen Abend in das Wirtshaus, wo Andreuccio wohnte. Die Kleine fand jenen zum Glück selbst, wie er allein an der Tür stand, und fragte nach ihm. Wie er nun erklärte, er sei es, zog sie ihn beiseite und sagte: »Herr, eine Edeldame aus dieser Stadt möchte, wenn es Euch gefällig wäre, gern mit Euch reden.« Andreuccio dachte bei diesen Worten einen Augenblick nach, und da er sich für einen hübschen Burschen hielt, vermutete er, die Edeldame werde in ihn verliebt sein, als ob es damals in
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