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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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Hilde Coppi, das ist ihr Mann und das ihr Sohn .« Dies ist die Perspektive von Text B. Für Hilde Coppi finden wir die Bezeichnungen Hilde Coppi, sie undste selbst, für Hans Coppi zweimal ihr Mann, für den Sohn ihr Sohn Fritz. Aber auch in Text A ist diese Perspektive realisiert: Auf Hilde Coppi wird referiert mit Hilde Coppi, auf Hans Coppi mit ihr Mann, Hans Coppi.
    Neben den genannten »Innenperspektiven« (aus der Sicht der beteiligten bzw. abgebildeten Personen) sind auch noch Außenperspektiven denkbar, z.B. »Das ist Hilde Coppi, das Hans Coppi und das Fritz Coppi .« Oder: »Das ist die Mutter, das der Vater und das der Sohn .« Letztere Möglichkeit wählt Text A als zweite Perspektive. Entscheidend bei dieser Interpretation ist der Gebrauch des bestimmten Artikels. Seine Mutter und sein Vater hätte die Perspektive auf den Sohn verlagert, aber es heißt der Sohn, der Vater, die Mutter — »neutrale« Außenperspektive.
    Wie oft werden die drei Personen erwähnt?

    A: Hilde Coppi 3 X: Hilde Coppi, ihren Mann, die Mutter
    Hans Coppi 3 X: Hans Coppi, ihrem Mann, der Vater
    Fritz Coppi 2 X: der Sohn Fritz
    B: Hilde Coppi 6 X: Hilde Coppi, ihrem Mann, sie, ihren Sohn Fritz, ihr Mann, sie selbst
    Hans Coppi 2 X: ihrem Mann, ihr Mann
    Fritz Coppi 2 X: ihren Sohn Fritz

    In Text A ist Hans Coppi sprachlich noch »präsenter« als Hilde Coppi. Auf ihn entfallen drei Nominalphrasen, auf Hilde Coppi nur zwei, die dritte Erwähnung geschieht mittels des Possessivde-terminans in ihrem Mann.
    In Text B entfallen auf Hilde Coppi drei Nominalphrasen und drei Possessivdeterminantien, auf Hans Coppi zwei Nominalphrasen und auf Fritz Coppi ebenfalls zwei.
    Das Kernstück der Redaktion in B ist natürlich der in einen Aktivsatz verwandelte Passivsatz aus A. Diese Veränderung rückt die Hauptperson aus der »syntaktischen Versenkung« in A ins syntaktische Zentrum, somit auch ins Empathiezentrum, wie Kuno und Kaburaki lehren. A wertet die Information, daß »sie« »ihren« Sohn gebar, als redundant, »recoverable«, erschließbar- und deshalb tilgbar.
    Bezogen auf die Erzeugung von Passivsätzen bereits in der Basiskomponente, wie Chomskys Extended Standard Theory sie vorsieht, können wir sogar sagen, daß in Text A die Information, daß es Hilde Coppi war, die diesen Sohn gebar, von Anfang an nicht vorhanden ist. Der Sohn wird geboren, basta. So wie er ist, wird dieser Satz generiert. Es braucht keine Agensphrase getilgt zu werden, weil gar keine erzeugt wurde.
    Im letzten Satz erfahren wir dann allerdings, daß Hilde Coppi »die Mutter« war, vorher jedoch schon, daß Hans Coppi »der Vater« war. Diesbezüglich ist nun wiederum Text B weniger explizit. Für die Vaterschaft von Hans Coppi ergibt das sprachliche Material nur eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent — weil nämlich das Possessivdeterminans ihren in ihren Sohn ambig ist und sich sowohl auf Hilde Coppi allein zurückbeziehen kann als auch auf Hilde und Hans Coppi (im Engl, hätten wir entsprechend her oder their son).
    Im letzten Satz heißt es in A die Mutter, in B sie selbst. Das selbst hat hier die Funktion, nach einem Exkurs zu einem Neben-Empathiezentrum die Rückkehr zum Haupt-Empathiezentrum anzuzeigen.
    Plank hat in »Zur Affinität von selbst und auch« (1979) drei Hauptfunktionen von selbst ermittelt. Ich möchte sie einmal anhand der folgenden Sätze verdeutlichen:

    Der Chef kocht selbst gerne. (≈ auch)
    Selbst der Chef kocht gerne. (≈ sogar)
    Der Chef kocht gerne selbst. (≈ (höchst)persönlich)

    Das selbst in Text B läßt sich in keine der von Plank aufgestellten Kategorien einordnen. Wir finden dieses selbst Nr. 4 (ich nenne es das selbst der Rückkehr zum Empathiezentrum) in Umgebungen folgender Art:

    Er fuhr mit dem Bus, sie selbst ging zu Fuß.

    In Chalkidike... verliebt er sich in die Tochter seines Vorarbeiters. Eleni ist fünfzehn, er selber etwas über zwanzig. ( Grieser 1980: 115)

    Diese Vorkommen von selbst können weder mit sogar noch mit auch noch mit (höchst)persönlich oder eigenhändig paraphrasiert werden, genausowenig wie das selbst in Text B.
    Dieses Ergebnis zeigt, daß eine Analyse unter dem Gesichtspunkt der Empathiestruktur nebenbei auch noch neue Einsichten über Grammatikausschnitte vermitteln kann, die schon als gründlich erforscht gegolten haben.
    Damit bin ich am Ende meiner Analyse angekommen. Ich möchte nun die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen.

    1. Bei der Rezeption von Texten aller Art haben

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