Das Deutsche als Männersprache
Frauenbewegung zusammenhängt, ein bißchen zu vereinfachen? Frauenbewegte Frau oder Anhängerin der Frauenbewegung sind lange, komplizierte Ausdrücke — viel schneller spricht sich Feministin. Auch ist es nützlich, ein Wort wie feministisch zu haben, denn frauenbewegt wirkt nicht in allen Kombinationen überzeugend: Frauenbewegte Theologie ? Da grinsen ja die Gegner noch breiter als über Feministische Theologie.
Oder verweisen die Begriffe >Feminismus< und >Frauenbewe-gung< auf zwei verschiedene (wenn auch verwandte) »Sachen«?
Feministische Publikationen (oder soll ich sagen: Publikationen der/zur Frauenbewegung?) kümmern sich nicht um diese anscheinend unerhebliche Frage einer Sprachwissenschaftlerin und Feministin. Sie haben wahrhaftig auch dringlichere Probleme zu lösen. Trotzdem — mich beschäftigt diese Frage, seit ich 1981 gebeten wurde, einen Sammelband zum Thema Feminismus herauszugeben (vgl. Pusch 1983). Wie konnte ich auch eine solche Aufgabe übernehmen, ohne den Unterschied zwischen Feminismus und Frauenbewegung zu kennen, ja ohne zu wissen, ob es überhaupt einen gibt?
Meine erste Reaktion auf die selbstgestellte »Frage nach dem kleinen Unterschied« fiel ziemlich schlicht und kindlich aus. Unter Feminismus stellte ich mir »eher etwas Theoretisches« vor, unter Frauenbewegung »eher etwas Praktisches, Konkretes«. Diese Reaktion ist darauf zurückzuführen, daß das Lateinische auch heute noch die Sprache der Wissenschaft/Theorie beliefert und Feminismus ein aus dem Lateinischen gebildetes Fremdwort ist. Frauenbewegung dagegen wirkt als einheimisches Wort vertrauter, näher, »praxis-näher«.
Der Griff zum Lexikon brachte auch keine Klarheit, sondern nur eine Überraschung, ein großes Staunen. Aber das Staunen ist ja oft der Anfang einer Klärung.
Der »Große Meyer«, derzeit das umfassendste enzyklopädische Lexikon in deutscher Sprache, bringt folgende Definition:
Feminismus (lat.),
das Auftreten weibl. Eigenschaften bei einem männl. Tier oder beim Mann.
In Wahrigs Großem Deutschen Wörterbuch heißt es:
Feminismus: weibisches Wesen beim Mann (bes. Homosexuellen)
feministisch: auf Feminismus beruhend, weibisch
Das Duden -Fremdwörterbuch meldet:
Feminismus: das Vorhandensein oder die Ausbildung weiblicher Geschlechtsmerkmale beim Mann oder bei männlichen Tieren.
Diese Definitionen stammen aus den Jahren 1973 (Meyer) und 1974 (Wahrig, Duden) — und die Lexikographen sind sich einig wie selten. Offenbar verstehen wir aber inzwischen, nur zehn bzw. neun Jahre später, alle etwas ganz anderes unter Feminismus, als uns hier weisgemacht werden soll. Es ist fast unglaublich und doch symptomatisch, daß >Feminismus<, ein gesellschaftspolitischer Schlüsselbegriff der Gegenwart, noch vor so kurzer Zeit dem herrschenden Wissenskanon so fremd war, daß er dem enzyklopä-disch-lexikographischen Zugriff einfach entgehen konnte.
Es ist (nicht nur für Linguist/inn/en) sehr aufschlußreich, die Geschichte der Wörter Frauenbewegung, Frauenemanzipation, Frauenfrage, Feminismus und Feminist/in in deutschen und ausländischen Wörterbüchern und Enzyklopädien zu verfolgen.
Hier nur eine kurze Zusammenfassung für die Wörter Feminismus und Feminist/in (ich danke Helmut Walther von der Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden, für wertvolle Auskünfte): Alexandre Dumas d. J. soll 1872 in seiner Schrift L’homme-femme das Wort feministe (nach dem lat. femina) gebildet haben. Andere Quellen verweisen auf den Frühsozialisten Charles Fourier (1772-1837) als Urheber des Begriffs >feminisme<. 1899 finden sich die Personenbezeichnungen die/der Feministe — also noch nicht eingedeutscht - in Looffs Allgemeinem Fremdwörterbuch. 1902 veröffentlichte Hedwig Dohm ihre Streitschrift Die Antifeministen. 1912 finden wir erstmals Feminismus sowohl in Koenigs Großem Wörterbuch der deutschen Sprache als auch in Genius’ Neuem Großen Fremdwörterbuch , definiert als »Streben nach Gleichstellung des weiblichen mit dem männlichen Geschlecht«. Genius nennt außerdem der Feminist: »Anhänger dieser Richtung<. Die Feministin gab es 1912 also noch nicht. 1918, nach dem verlorenen Krieg, veröffentlichte Eduard Engel ein »Verdeutschungswörterbuch« mit dem bezeichnenden Titel Entwelschung. Darin wird vorgeschlagen, das »neue Modewort« Feminismus durch Weibse-rei, Geweibse, Verweibsung, Weiblerei, Weiblingstum, Weiberwirtschaft oder Weiberherrschaft zu »entwelschen«.
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