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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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bis Axt, einverleibt. Es nimmt mit 86 von insgesamt 805 Seiten zwar nur ein Neuntel des Wörterbuch-Romans oder Roman-Wörterbuchs ein — aber seine Stoffülle ist schon so immens, so überwältigend, daß ich danach erst mal innehalten mußte, um zur Besinnung zu kommen.
    Ich denke mir, daß ich das komplexe Geschehen und vor allem die mitreißenden Charaktere erst dann voll und ganz werde verstehen können, wenn ich mir vor dem Weiterlesen eine vorläufige Analyse erarbeite. Möge sie auch anderen Leser-inne-n des Werks eine sinnige Hilfe sein!

2 Die Personen der Handlung

2.1 Die Hauptpersonen

    Der Roman handelt von fünf Personen — von drei Männern und zwei Frauen. Die Männer werden im einleitenden Kapitel A rund 920mal erwähnt, die Frauen insgesamt etwa 180mal. Die Männer siegen mithin fünf zu eins — mit dieser Verteilung zeigt der Roman ein feines Empfinden für die Rangordnung im wirklichen Leben.
    Die drei Männer heißen Klaus, Ulrich und Ludwig. Das erfahren wir aber erst nach bereits weit vorgerückter Lektüre. Bis die Namen preisgegeben werden, werden alle drei unterschiedslos nur »er« genannt. Dieser geniale Kunstgriff macht das Lesen zunächst verwirrend, aber je länger wir uns auf das schillernde Spiel mit den Identitäten einlassen, um so reizvoller wird es auch.
    Zu Beginn des Romans erfahren wir über »Ihn«, daß er sich in der Sonne aalte , abartig veranlagt ist, plötzlich nach links abgebogen ist, die Ausführung des Plans abgebogen hat, den Revolver abdrückte und seinen Fehltritt abbüßte, indem er zwei Jahre abbrummte. 42 Ein schönes Früchtchen, dieser abartige Mensch, denken wir doch da. Aber was lesen wir dann über ihn? »Er ist streng, aber gerecht .« Außerdem: »Man achtet ihn wegen seiner Zuverlässigkeit .« »Sein Handeln zeugt von innerem Adel .«
    Völlig klar: Der abartige Mensch muß ein anderer »Er« sein als der mit dem inneren Adel.
    Und dann gibt es da noch einen sympathischen Durchschnittsmann, liebevoll in allen Einzelheiten seines Seins, Webens und Strebens gezeichnet. Vermutlich war er es, der plötzlich nach links abgebogen ist, denn solche eher unwesentlichen Tätigkeiten sind kennzeichnend für ihn: Es wird alles, aber auch alles über ihn zu Protokoll gegeben, ob er nun mitten im Satz abbricht, die Karten an der Abendkasse kauft, mit dem nächsten Zug abfährt, seinen Fahrschein abfährt, das ganze Dorf nach Eiern abgrast, einen Ast vom Baum abhaut, seinen Körper frühzeitig abhartet, abgelegte Schuhe trägt, alle Geschäfte abläuft oder sich vergeblich damit abmüht, sein Auto zu reparieren. Er ist es, über den leider gesagt werden muß: »Was ihm an Begabung abgeht, ersetzt er durch Fleiß«, und es wundert uns dann auch nicht mehr, daß er einen abgekämpften Eindruck macht und vergeblich gegen den Schlaf ankämpft.
    Dieser Mann, Zentrum des Romans und Angelpunkt aller Beziehungen, heißt Ulrich. Wir erfahren es eher nebenbei in dem Satz: »Als sie Ulrichs ansichtig wurde, errötete sie .« Unser Durchschnittsmann hat nämlich eine kleine Durchschnittsfrau, für die er sich abrackert und die ihn dafür anhimmelt. Während er mit Vollgas abbraust, braust sie die Kinder in der Wanne ab. Sie steckt ihm eine Schleife oder eine Blume an , dafür steckt er ihr einen Ring an. Er ist ein anständiger Mensch, und sie spricht ein anständiges Englisch. Er läuft am schnellsten, wenn sie am Putzen ist. Sie heftet den Ärmel an das Kleid««, währenddessen heftet er das Schild mit Reißnägeln an die Tür an. Ihn haben sie bei der Firma angenommen , sie dagegen hat sich der kranken Kinder angenommen. Er hat den Teppich ausgerollt ; sie hat den Teig rund ausgerollt. — Ja, die beiden sind ein Herz und eine Seele und ergänzen sich phantastisch. Christine heißt diese prachtvolle Frau an Ulrichs Seite. Wir erfahren es in dem schönen Satz: »Christine steht in der Küche und wäscht auf .«
    Ulrich ist zweifellos ein Mann, mit dem sich jeder, aber auch jeder Leser identifizieren kann. Die Lesen« natürlich nicht so ohne weiteres — aber auch sie wird gewiß das Allgemein-Menschliche in Ulrich erspüren. (Apropos Leserin: In seiner Funktion als Wörterbuch enthält der Roman natürlich auch Information zum Wort Leser. Wir erfahren, daß es ein maskulines Wort ist. Eine Leserin ist nicht vorgesehen. Vielleicht ist dies der Schlüssel zur Struktur des Romans???)
    Unserem Durchschnittshelden Ulrich sind neben seiner Frau Christine noch zwei weitere

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